Innovation und Tradition
Unter dem Motto "Innovation und Tradition" hat nun schon zum dritten Mal der Kulmbacher Bierrechtstag stattgefunden. Auf Einladung des Lehrstuhls für Lebensmittelrecht und der Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht (FLMR) diskutierten rund 70 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis am Campus Kulmbach und in den Museen im Mönchshof über aktuelle Rechtsfragen und die Zukunft des Reinheitsgebots.
Der Vormittag in den Räumlichkeiten der Universität war verschiedenen aktuellen Herausforderungen des Kennzeichnungsrechts gewidmet. Prof. Dr. Ansgar Ohly, Inhaber es Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Recht des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht an der LMU München, beleuchtete den neuen europäischen Rechtsrahmen für geographische Herkunftsbezeichnungen. Er unterstrich dessen Bedeutung für die Braubranche, plädierte gleichzeitig aber für ein ausgewogeneres Schutzkonzept. Dario Cotterchio, Abteilungsleiter Lebensmittelkonformität und Hygienic Design am Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität der TU München stellte anhand empirischer Untersuchungen dar, wie sich das Qualitätsverständnis von Brauern und die Erwartungen von Verbrauchern unterscheiden. Während bei den Verbrauchern Nachhaltigkeit und Innovation an Wichtigkeit gewinnen, verliert das Reinheitsgebot vor allem bei jüngeren Generationen an Bedeutung.
Dr. Tilman Reinhardt, Akademischer Rat an der Fakultät für Lebenswissenschaften Universität Bayreuth in Kulmbach, widmete sich verschiedenen Fragen der Alkoholkennzeichnung. Zukünftige europäische Gesetzgebung könnte neben Warnhinweisen vor allem auch die Kennzeichnung von nicht- und niedrig-alkoholischen Getränken betreffen. Er wies außerdem auf die potenzielle Sprengkraft einer stoffrechtlichen Klassifizierung von Ethanol als reprotoxisch und karzinogen hin. Rechtsanwältin Leonie Evans von der Kanzlei Meisterernst aus München diskutierte schließlich die immer strengere Rechtsprechung zu Nachhaltigkeitsaussagen. Die Green Claims Richtlinie der Europäischen Union könnte die Anforderungen an derartige Aussagen in Zukunft noch weiter verschärfen. Alle Vorträge stießen auf reges Interesse des Fachpublikums und führten zu konstruktiven Diskussionen.
Podiumsdiskussion zur Zukunft des Reinheitsgebots
Die nachmittägliche Podiumsdiskussion unter Leitung von Prof. Dr. Markus Möstl am Mönchshof widmete sich der Zukunft des Reinheitsgebots. Dr. Uwe Lebok von K&A BrandResearch diskutierte die Bedeutung des Reinheitsgebots im Lichte veränderter Konsumgewohnheiten und demographischen Wandels. Robert Scholz , Geschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds, betonte die internationale Bedeutung des Reinheitsgebots, hielt aber behutsame Veränderungen im Interesse von Verbrauchern und Produzenten für möglich. Auch Jutta Saumweber, Referatsleiterin Lebensmittel und Ernährung in der Verbraucherzentrale Bayern, plädierte für mehr Flexibilität, um Verbraucherwünsche etwa hinsichtlich Glutenfreiheit entgegenzukommen. Prof. Dr. Möstl, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht II der Universität Bayreuth, unterstrich, dass die aktuelle rechtliche Verankerung des Reinheitsgebots dessen Bedeutung nicht würdig ist.
Prof. Dr. Kai Purnhagen, Inhaber des Lehrstuhls für Lebensmittelrecht der Universität Bayreuth zeigte sich in seinem Fazit erfreut über den konstruktiven Austausch. Er betonte die Dringlichkeit, das Bierrecht zukunftsweisend zu gestalten. Die Tagung habe verdeutlicht, dass Innovation und Tradition im Bierrecht miteinander verbunden werden sollten, um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden und die Zukunft des Reinheitsgebots zu sichern.
