Innovation wird Tradition: der 4. Bierrechtstag
Unter dem Titel "Beyond Beer" hat am 4. Juli 2025 der 4. Kulmbacher Bierrechtstag stattgefunden. Innovation wird Tradition: Mit diesem Gedanken eröffnete der Präsident der Universität Bayreuth, Prof. Dr. Stefan Leible, den 4. Kulmbacher Bierrechtstag. Expertinnen und Experten aus Brauereien, Verbänden, Wissenschaft, Verwaltung und Politik diskutierten wichtige Zukunftsfragen des Sektors. Die Veranstaltung wurde von der Forschungsstelle für deutsches und europäisches Lebensmittelrecht (FLMR) organisiert.
Für die thematische Einstimmung hatte schon am Vorabend des Bierrechtstags Dr. Jörg Lehmann, der Vorstandsvorsitzende der Kulmbacher Brauerei AG, in den Museen im Mönchshof gesorgt. Sinkende Absätze, steigende Kosten, verändertes Konsumverhalten und Bürokratie stellen die gesamte Branche, besonders aber klein- und mittelständische Brauereien vor große Herausforderungen. Daher müssen Ansätze gefunden werden, die über das Kerngeschäft hinausgehen.
Die Keynote von Prof. Dr. Martina Gastl, Leiterin des Forschungszentrums Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität (BLQ) der Technischen Universität München gab insofern einen Überblick über aktuelle Markttrends und technologische Entwicklungen in der Brau- und Getränkeindustrie. PD Dr. Mathias Hutzler, stellvertretender Leiter des BLQ, legte den Fokus dann speziell auf alternative Hefen und Fermentationen. Großes Potenzial zeigt z.B. eine Hefe, die die Herstellung von Bieren mit 0,0 Volumenprozent Alkohol ohne aufwändige Entalkoholisierung ermöglicht. Diese Hefe wurde erst vor Kurzem in Bierkellern unter der Kulmbacher Plassenburg entdeckt.
Dr. Tilman Reinhardt von der Universität Bayreuth ging danach auf rechtliche Herausforderungen innovativer Technologien ein. Dabei ging es einerseits um die aufwändigen Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel und gentechnisch veränderte Organismen, andererseits um die immer strengeren Regeln für die Nachhaltigkeits- und Gesundheitskennzeichnung. Immerhin wachse in Wissenschaft und Politik das Bewusstsein, dass der Rechtsrahmen verändert werden muss. Manche Klippen könnten auch durch vorausschauende Gestaltung umschifft werden.
Im zweiten Teil erläuterte zunächst Prof. Dr. Günter Schamel von der Freien Universität Bozen am Beispiel der Südtiroler Lebensmittelwirtschaft „Wege zum regionalen Erfolg“. Der Schlüssel liege in Kooperation und gezielter Koordination, sodass am Ende alle Akteure, ob im Rahmen von Genossenschaften, geographischen Angaben, Dachmarken oder Leitmarken zum gemeinsamen Erfolg beitragen und Innovationen schnell integrieren können.
Rechtsanwalt Dr. Christian Böhler von der Kanzlei Squire Patton Boggs stellte am Beispiel alkoholfreier Spirituosen dar, welche vielfältigen, komplexen Fragestellungen Ersatzprodukte aufwerfen können. Eine dynamische Rechtsentwicklung betrifft u.a. das Bezeichnungsrecht, das Verpackungsrecht (Pfandpflicht), sowie der Frage, wann Getränke als alkoholfrei bezeichnet werden können.
Es folgte zunächst ein unternehmerischer Impuls von Dr. Mark Schneeberger, Chief Technology Officer des Startups EatBeer Biotech. Er verwies auf die hohe Bedeutung alternativer Proteine für den globalen Klimaschutz und die wirtschaftlichen Potenziale innovativer Kreislaufwirtschaft. Brauereien verfügen insofern über viele relevante technische Voraussetzungen und Know-How, das für die Transformation mobilisiert werden könne.
Dieser Impuls bildete die Basis für die abschließenden Podiumsdiskussion unter der Leitung von Prof. Dr. Nils Grosche von der Universität Bayreuth. Dabei diskutierten Martin Schöffel, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Finanzen und für Heimat, Rechtsanwältin Lena Schwertl, Justiziarin des Bayerischen Brauerbundes und Prof. Dr. Rebecca Preller, wissenschaftliche Koordinatorin des Food Valley Kulmbach, zur Leitfrage „Wie können Praxis, Politik und Wissenschaft den Wandel unterstützen?“. Die Lösungsansätze betreffen verschiedene Ebenen. Auf nationaler und europäischer Ebene müssen Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Branche ihr kreatives Potenzial für die Entwicklung nachhaltiger und gesunder Produkte nutzen kann. Zeit ist dabei ein absolut kritischer Faktor. Etwaige Risiken neuer Technologien sind nicht unbedingt bedrohlicher als die bekannten Probleme des bisherigen Systems. Auf regionaler Ebene gilt es, Mechanismen zu finden, wie gerade auch kleine und mittlere Unternehmen in Wissens- und Innovationssysteme eingebunden werden. In diesem Sinne beendete Prof. Kai Purnhagen die Veranstaltung mit einem optimistischen Ausblick: Mit seiner interdisziplinären Ausrichtung und regionalen Verankerung kann der Campus Kulmbach der Universität Bayreuth einen Beitrag zur Transformation des Brau- und Getränkesektors leisten.

