Feldforschung am Kilimanjaro
Artenvielfalt, Naturschutz, Ökologie: Dr. Claudia Hemp und PD Dr. Andreas Hemp fördern im EU-Programm CONTAN die Kompetenzen tansanischer Studierender.
Interview mit Dr. Claudia Hemp und PD Dr. Andreas Hemp vom Lehrstuhl für Pflanzensystematik der Universität Bayreuth: Sie sind Mitglieder des DFG-geförderten Forschungsverbunds "Kili-SES", der die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur in der Kilimanjaro-Region analysiert, und leiten gemeinsam die Forschungsstation Nkweseko am Südhang des Kilimanjaro. Dr. Claudia Hemp ist zudem Mitarbeiterin am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum.
Vor kurzem gingen Bilder von einem Großbrand am Kilimanjaro um die Welt. Sind die Waldgebiete dort schwer geschädigt worden?
Andreas Hemp: Von diesem Brand waren rund 25 Quadratkilometer Buschland, aber kaum Waldgebiete betroffen, insofern kann man nicht von einem schweren Waldbrand sprechen. Die Feuer brachen in der subalpinen Zone aus, also im Übergangsbereich zwischen den Bergwäldern auf 3.000 Metern Höhe und der alpinen Zone oberhalb von 4.000 Metern. Dieser Vegetationsgürtel ist heutzutage von einer niedrigwüchsigen Gebüschformation bedeckt, die überwiegend von Erica-Sträuchern gebildet wird. Diese Sträucher sind sehr leicht entzündlich.
Waren auch Ihre Forschungsarbeiten am Kilimanjaro betroffen?
Claudia Hemp: Wir wissen noch nichts Genaueres, aber es kann sein, dass zwei unserer Untersuchungsflächen mit ihren Klima-Messstationen abgebrannt sind. Das wäre zwar für uns sehr bedauerlich, könnte auf der anderen Seite aber die Möglichkeit eröffnen, die Regeneration der Vegetation nach derartigen Ereignissen genauer zu untersuchen. Dies haben wir auch schon seit 2020 nach dem großen Buschfeuer am Osthang des Kilimanjaro getan, das drei unserer Untersuchungsflächen vernichtete.
Weiß man schon Genaueres über die Ursachen des Waldbrands? Ist zu befürchten, dass sich derartige Waldbrände infolge von Klimaveränderungen in Ostafrika häufiger ereignen werden?
A.H.: Es ist ziemlich sicher, dass der Brand durch menschliche Unachtsamkeit ausgelöst wurde. Menschliche Aktivitäten, vor allem Tourismus, aber auch Wilderei und das Sammeln von Honig, verursachen immer öfter solche Brände. Gleichzeitig nehmen Feuchtigkeit und Regen in den Hochlagen des Kilimanjaro ab, was sich auch durch das Schwinden der Gletscher bemerkbar macht. Aufgrund dieses Zusammenspiels direkter anthropogener Einflüsse, eines trockener werdenden Klimas und einer sehr leicht entflammbaren Vegetation sind Feuer in den Hochlagen des Kilimanjaro in den letzten Jahrzehnten immer häufiger und verheerender geworden. Allerdings betrafen die Feuer der letzten zwei Jahren „nur“ Buschländer auf ehemaligen Waldflächen, die bereits vor mehreren Jahrzehnten abgebrannt sind. Insofern ist der ökologische Schaden heute geringer. Jedoch wird durch diese erneuten Brände die Regeneration des Waldes um mehrere Jahrzehnte zurückgeworfen.Vor kurzem haben Sie an der Forschungsstation Nkweseko ein mehrwöchiges Feldtraining für ostafrikanische Studierende durchgeführt. Diese wissenschaftliche Fortbildung war Teil des CONTAN-Projekts, das der Lehrstuhl für Pflanzensystematik an der Universität Bayreuth im Januar 2021 gemeinsam mit Partnern aus Dänemark und Italien gestartet hat. Worum geht es bei diesem Projekt?
C.H.: Tansania hat ein starkes ökologisches und wirtschaftliches Interesse daran, die Artenvielfalt in seinen großflächigen Naturschutzgebieten zu erhalten. Für die Entwicklung und Umsetzung entsprechender Konzepte bedarf es aber gut ausgebildeter Fachkräfte im eigenen Land. Hier setzt das Projekt CONTAN an, das von der Europäischen Union aus dem Programm Erasmus+ mit mehr als 700.000 Euro gefördert wird. Es geht dabei vor allem um die Erarbeitung neuer Studienangebote an Hochschulen in Ostafrika, den Aufbau einer E-Learning-Infrastruktur und die Organisation von praktischer Feldarbeit, wie wir sie kürzlich von unserer Forschungsstation am Kilimanjaro aus organisiert haben. Über einen Zeitraum von drei Wochen haben wir mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer betreut, die an drei tansanischen Bildungseinrichtungen studieren: der Universität Dar es Salaam, der Sokoine Universität für Landwirtschaft sowie am Mweka College of African Wildlife Management. Das Feldtraining hat diesen Studierenden viele Möglichkeiten geboten, ihre im Studium erworbenen landwirtschaftlichen und ökologischen Kenntnisse zu vertiefen und direkt vor Ort in der Praxis anzuwenden. Die Region rund um den Kilimanjaro ist mit ihren unterschiedlichen Vegetationszonen und Habitaten ein hervorragend geeignetes Gelände für solche Studien.
Welches waren die inhaltlichen Schwerpunkte des dreiwöchigen Programms?
C.H.: Es war ein in fachlicher Hinsicht sehr vielfältiges Studienprogramm. Professorin Dr. Sigrid Liede-Schumann, die an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Pflanzensystematik innehat, leitete ein Seminar zur Pflanzentaxonomie und zum Biodiversitätsmonitoring. Hier lernten die Studierenden beispielsweise, wie man eine neue Pflanzenart wissenschaftlich exakt beschreibt. Gerade in den ostafrikanischen Gebirgsregionen findet man nicht selten Pflanzen, die sich auf den ersten Blick keiner schon bekannten Spezies eindeutig zuordnen lassen. Dann ist es natürlich wichtig, mit etablierten wissenschaftlichen Verfahren feststellen zu können, ob es sich tatsächlich um eine neue Art handelt.
A.H.: Insgesamt war unser Kursprogramm eine Mischung aus altbewährten und hochaktuellen Methoden der Biodiversitätserfassung. Bereits im Juli diesen Jahres war Dr. Pekka Hurskainen vom Finnish Environment Institute in Tansania zu Besuch und hat den Studierenden an den drei Partnerhochschulen Anwendungen geographischer Informationssysteme vermittelt – insbesondere mit dem Ziel, Landschaftsveränderungen über längere Zeiträume erfassen zu können.
Haben Sie auch selbst Lehrveranstaltungen durchgeführt?
A.H.: Ja, beispielsweise habe ich den Studierenden bei einem Feldtraining gezeigt, wie man ökologische Untersuchungsflächen anlegt, die Vegetation mit einem speziellen Verfahren – der Braun-Blanquet-Methode – erfasst, Baumhöhen misst und wie man Klimadaten aufzeichnet und auswertet. Dieser Unterricht vor Ort ergänzte sich gut mit einer Lehrveranstaltung von Petr Blazek, der aus Tschechien vom Forschungsinstitut IFER – Monitoring and Mapping Solutions angereist war: Er stellte die Software "field map" vor, die es ohne allzu großen technischen Aufwand möglich macht, die Biomasse und den Kohlenstoffspeicher einer beliebigen, mit Bäumen bewachsenen Fläche präzise zu berechnen.
C.H.: Zum Studienprogramm gehörten auch mehrere Exkursionen. Ich habe Gruppen von Studierenden in die Savannenhabitate rund um den Chala-See am östlichen Kilimandscharo geführt. Ein Schwerpunkt waren dabei systematische Grundlagen und Techniken der Insektenkunde, die für das Biodiversitätsmonitoring in Ostafrika unentbehrlich sind. Die Studierenden haben Tausendfüßer, Heuschrecken und andere Arthropoden selbst gefangen und wissenschaftlich bestimmt. Während des Feldtrainings waren wir besonders beeindruckt von dem Fahrzeug, das das College of Wildlife Management Mweka für die Exkursionen zur Verfügung gestellt hatte.Was ist Ihre Bilanz nach diesem intensiven Feldtraining?
C.H.: Die Studierenden haben an allen Seminaren, Workshops und Exkursionen nicht nur mit großem fachlichen Interesse teilgenommen, sondern waren auch persönlich sehr engagiert. Nicht zuletzt haben auch die vielen Gespräche und Diskussionen außerhalb des Studienprogramms, beispielsweise bei gemeinsamen Mahlzeiten, zu einem sehr lebhaften Austausch beitragen. Es freut uns sehr, dass wir auf diese Weise die Kooperationen mit unseren tansanischen Hochschul- und Forschungspartnern weiter stärken konnten.
A.H.: Wir werden mit den studentischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch weiterhin im Kontakt bleiben: Sie sind die künftige Generation von wissenschaftlich ausgebildeten Fachkräften, die Ostafrika dringend benötigt, damit für die sich abzeichnenden ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen in der Region zukunftsfähige Lösungen entwickelt werden können.