Von Bayreuth nach ‘Ouaga’

Denn hier fand sie einen Ort, um sich mit zeitgenössischer afrikanischer Kunst auseinanderzusetzen: das Bayreuther Iwalewahaus. Was dann passierte, erzählt die Institutsleiterin des Goethe-Verbindungsbüros Ouagadougou (sprich: Wagadugu) im Interview mit UBTaktuell.

‘Kultur und Gesellschaft Afrikas‘ an der Uni Bayreuth – aus welchen Gründen haben Sie sich damals für diesen Studiengang entschieden?
Nach dem Abitur war ich für acht Monate zum Freiwilligendienst in Togo und habe dort im Bereich Landwirtschaft und Kunsthandwerk gearbeitet. Ich hatte schon immer großes Interesse an anderen Kulturen, Kunst und Reisen. Ich war neugierig, den afrikanischen Kontinent kennenzulernen und meine Erfahrung in Togo war sehr positiv. Ich hatte sowieso an ein Studium im Bereich der Ethnologie oder Kultur- und Kunstwissenschaften gedacht, und da erschien mir der Studiengang in Bayreuth irgendwie genau richtig.

Denken Sie gern an Ihre Studienzeit in Bayreuth zurück?
Ich fand das Studium sehr interessant und hatte die Möglichkeit, durch Praktika in Afrika Auslandserfahrungen zu sammeln und meine Recherchethemen meinen eigenen Interessen anzupassen. Die Atmosphäre im Studiengang war toll und so fühlte ich mich auch privat sehr wohl in Bayreuth. Mit vielen Studienkolleginnen und Studienkollegen bin ich bis heute im Kontakt. Am prägendsten war meine Zeit am Iwalewahaus, wo ich drei Jahre als Wissenschaftliche Hilfskraft mitarbeiten konnte. Das hat mich persönlich sehr bereichert und es hat mir die zeitgenössische Kunst aus Afrika und das Ausstellungswesen nahegebracht… das begleitet mich bis heute. 

Zur Person

Carolin Christgau

Carolin Christgau
© Goethe-Institut Ouagadougou

Carolin Christgau wuchs in Fürth auf und studierte von 2003 bis 2009 ‘Kultur und Gesellschaft Afrikas‘ und ‘Afrikanische Kunst‘ im Bachelor an der Universität Bayreuth. Daneben arbeitete sie drei Jahre lang im Bayreuther Iwalewahaus. 2011 schloss Christgau ihren Master of Arts in ‘Kunst- und Kulturvermittlung‘ an der Universität Bremen mit Schwerpunkt bildende Kunst und Film auf dem afrikanischen Kontinent ab. Bereits während ihres Studiums wirkte Carolin Christgau an verschiedenen freiberuflichen Kunst- und Filmprojekten innerhalb und außerhalb Deutschlands mit. Im Anschluss lebte und arbeitete die heute 36-Jährige Carolin Christgau vier Jahre in Uganda und nun in Burkina Faso, wo sie seit 2016 das Goethe-Institut Ouagadougou leitet.

War das Iwalewahaus zukunftsweisend für Ihre berufliche Laufbahn?
Der Einblick in die zeitgenössischen Kunstszenen, das Ausstellungswesen, die Kombination von Recherche und Kunst, aber auch die Auseinandersetzung mit dem afrikanischen Film hat meine beruflichen Zukunftsvorstellungen stark geprägt. Ich konnte mich mit der Arbeit am Iwalewahaus und dem Bereich Afrika-Kultur-Kunst identifizieren und wollte somit gerne in diesem Bereich weiterarbeiten. Da ich meine Erfahrungen auch gerne an einer anderen Uni erweitern wollte, habe ich anschließend Kunst- und Kulturvermittlung in Bremen studiert. Dort habe ich meinen Schwerpunkt auf ‘Afrika‘ aufrechterhalten und meine Recherchen angepasst.

Wie kamen Sie zum Goethe-Institut?
Nach dem Studium in Bremen habe ich von einer freien Stelle als ‘Kulturkoordinatorin‘ am Goethe-Zentrum der Ugandan German Cultural Society in Kampala gehört und mich mit Erfolg beworben. Nach sieben oder acht Monaten kündigte mein damaliger Chef und ich habe nach langem Hin und Her seinen Posten übernommen. Das war nicht so geplant, hat sich jedoch positiv auf meine weitere Laufbahn ausgewirkt. Ende 2015 habe ich mich dann auf die Stelle als Leiterin des Goethe Verbindungsbüros in Burkina Faso beworben – in Burkina Faso war ich bereits während meines Studiums für verschiedene Praktika und Recherchen. Im April 2016 habe ich dann diese neue Stelle angetreten und arbeite hier bis heute. Im März 2019 wurde ich nun schließlich in die Rotation des Goethe-Instituts aufgenommen, wodurch ich auch nach Burkina Faso bei Goethe bleiben werde.  

Kunstinstallation von Pio Rahner und Nomwindé Vivien Sawadogo bei der Abschlussfeier des Goethe-Institut im Dezember 2016. Bild: Goethe-Institut Ouagadougou

Konzert #TIGRI – Elektronische Musik mit lokalen DJs.Bild: Goethe-Institut Ouagadougou

Worum geht es bei Ihrer Arbeit?
Wir fördern die Kunstszene vor Ort und unterstützen dadurch die Künstlerinnen und Künstler, sodass sie im Idealfall von ihrer Kunst leben können. Es ist sehr wichtig für uns, dass wir alle unsere Aktivitäten mit lokalen Künstlerinnen und Künstlern oder lokalen Strukturen entwickeln und durchführen können. Deshalb sind wir auch immer auf der Suche nach Projektpartnern. Ein Projekt, das mir sehr am Herzen liegt, ist unser Projektraum ‘Kunstraum 226‘. Hier begleiten wir Künstlerinnen und Künstler in der Entwicklung und Umsetzung von ihren Ausstellungskonzepten. Auf unserer Webseite kann man sich die bisherigen Ausstellungen anschauen. 

Gesprächsrunde mit lokalen Kunstschaffenden und Gästen aus Bayreuth im Rahmen der Ausstellung Future Africa Visions in Time, die aus der Bayreuth Academy of Advanced African Studies entstand und 2018 in Ouagadougou Station machte.

Wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag aus? 
Mein Alltag sieht wahrscheinlich genauso aus, wie der einer anderen Büroleiterin. Man sitzt am PC, plant Projekte, trifft sich mit Partnern, kümmert sich um die Verwaltung… Allerdings erschweren die Hitze oder auch Stromausfälle die Arbeit. 

Was hat Ouagadougou kulturell zu bieten?
Ouagadougou ist international als Austragungsort eines der größten Filmfestivals Afrikas bekannt, des FESPACO [Anm. d. Red.: die französische Abkürzung für Festival panafricain du cinéma et de la télévision de Ouagadougou, panafrikanisches Film- und Fernesehfestival]. Aber auch darüber hinaus gibt es zahlreiche Festivals und ein vielfältiges kulturelles Angebot in Ouagadougou, sodass ich manchmal gar nicht durchschnaufen kann. Nach mehr als drei Jahren habe ich allerdings das Gefühl, alles gesehen zu haben, und vermisse doch etwas mehr Innovation und Kreativität. Vieles scheint sich eingespielt zu haben und zu wiederholen. Im Vergleich mit anderen afrikanischen Ländern ist Burkina Faso viel traditioneller und konservativer – das schlägt sich auch in der Kunst- und Kulturszene nieder.

Moussoya – Kollektive Ausstellung mit drei Künstlerinnen im Rahmen des Projekts KUNSTRAUM226 des Goethe-Institut Ouagadougou.

Wie lebt es sich in ‘Ouaga‘? Vermissen Sie Deutschland ab und an?
In Ouagadougou lebt es sich abgesehen von dem manchmal schwierigen Klima sehr gut. Ouaga ist sehr ruhig und fast dörflich. Es gibt kaum alltägliche Kriminalität und man kann sich frei bewegen. Das ‘Frei Bewegen‘ ist allerdings seit den Terroranschlägen [Anm. d. Red.: seit 2015 kommt es in Burkina Faso immer wieder zu terroristischen Anschlägen, zuletzt im Februar 2020] eingeschränkt und generell befindet ich das Land in einer eher schwierigen Phase. Manchmal vermisse ich Deutschland bzw. Europa oder einfach einen Tapetenwechsel. Deutschland fehlt mir manchmal aufgrund meiner Familie und Freunde, aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich jetzt unbedingt in Deutschland wohnen und arbeiten müsste.

Was raten Sie Studierenden, die in der Internationalen Kulturarbeit Fuß fassen möchten?
Ich denke, dass sich die Studierenden darüber klar sein müssen, was sie wirklich wollen und dementsprechend Aktivitäten in diesem Bereich verfolgen sollten. Man muss selbst aktiv werden, um an Praktikumsstellen und Jobs heranzukommen, auch wenn Kontakte natürlich hilfreich sein können. Es ist sinnvoll, schon während des Studiums an Projekten mitzuarbeiten, da man auf diese Weise praktische Erfahrung und Kontakte sammelt.

Goethe-Institut e.V.

Das Goethe-Institut e.V. ist seit über 60 Jahren das weltweit tätige Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland. Das Netzwerk aus Goethe-Instituten, GoetheZentren, Kulturgesellschaften, Lesesälen sowie Prüfungs- und Sprachlernzentren fördert in über 90 Ländern die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland, vermittelt ein zeitgenössisches Deutschlandbild und setzt sich für interkulturellen Dialog und kulturelle Teilhabe ein. Das Goethe-Institut in Ouagadougou bietet eine Plattform für die lokale Kulturszene und stärkt die kulturellen Beziehungen zwischen Burkina Faso und Deutschland. Dank seines vielfältigen Programms aus Filmvorführungen, Ausstellungen, Konferenzen, Theater-, Musik- und Tanzperformances hat sich zum Treffpunkt für Kunstschaffende, Intellektuelle und Studierende entwickelt.

Kontakt

Carolin Christgau
Leiterin Goethe-Institut Ouagadougou

E-Mail: carolin.christgau@goethe.de

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