Austauschprogramme in Pandemiezeiten – jetzt erst recht!

Zwei Promotionsstudierende auf dem Weg zum Doppelabschluss

Im Jahr 2016 haben sich die Universität Bayreuth und die University of Melbourne auf ein Doppelpromotionsabkommen (Joint PhD programme) verständigt. Dieses resultierte zunächst aus der engen Zusammenarbeit der beiden Universitäten im Rahmen des vom DAAD geförderten Bayreuth-Melbourne Kolloid/Polymer Netzwerks. Bereits 2018 konnten die ersten beiden Bayreuther Nachwuchswissenschaftlerinnen des Netzwerks ihre Joint PhD-Promotionen abschließen. Aktuell streben mit Sarah Lentz und Nicholas Chan eine Doktorandin bzw. ein Doktorand einen Doppelabschluss mit der University of Melbourne an. Weitere Joint PhD Vereinbarungen wurden mit der La Trobe University und Swinburne University of Technology in Melbourne geschlossen. Mit der Deakin University, ebenfalls in Melbourne, steht das entsprechende Abkommen kurz vor seinem Abschluss.

Innovatives Modell: ein Forscher-Tandem auf zwei Kontinenten

Sarah Lentz und Nicholas Chan promovieren beide als „Forscher-Tandem“ am Lehrstuhl Biomaterialien von Prof. Thomas Scheibel und am Lehrstuhl Chemical Engineering der University of Melbourne bei Prof. Greg Qiao. Sie forschen in den Bereichen „Chemieingenieurwesen“ und „Biomaterialien“ an den Eigenschaften des „vielleicht faszinierendsten proteinbasierten Materials“, von dem man sich inspirieren lassen kann, der Spinnenseide. Die Vorteile eines Joint PhD liegen nach Aussagen von Nicholas Chan u.a. darin, vom Expertenwissen beider Betreuer zu profitieren, die ihre Expertise auf unterschiedlichen Gebieten haben. Das Eintauchen in ein neues Arbeitsumfeld und neue Strukturen sowie in eine andere Kultur im Rahmen eines mehrmonatigen Aufenthalts ist ein weiterer Nutzen, sowohl fachlich als auch persönlich. Für Sarah Lentz sind neben der unterschiedlichen fachlichen Expertise ihrer beiden Betreuer auch die enge Zusammenarbeit mit Nick ein Gewinn für Ihre Forschung.

Nicholas Chan

Nicholas Chan sagt: "Der Vorteil des gemeinsamen PhD-Programms ist, dass man von zwei verschiedenen Experten auf ihren eigenen Gebieten betreut wird. Bayreuth ist eine kleine Stadt und es war sehr hilfreich, Teil einer engen Gemeinschaft zu sein und die Möglichkeit zu haben, sich mit der lokalen Kultur auseinander zu setzen, und mit verschiedenen Menschen zu sprechen. Es ist eine gute Erfahrung, andere Menschen zu treffen und zu erfahren, wie sie denken."

Sarah Lentz

"Wir ergänzen uns perfekt in unseren Forschungsgebieten. Wenn ich ein Problem mit der Synthese habe, kann ich Nicholas fragen, und wenn er ein Problem mit der Analyse von Oberflächen hat, fragt er mich. Wir tauschen uns ständig aus und sind immer über WhatsApp oder Skype in Kontakt. So arbeiten wir derzeit gemeinsam auf der Grundlage der Materialien, die wir in Bayreuth haben, und denen, die wir in Melbourne herstellen, an einem antimikrobiellen Verbundmaterial, das gegenüber Bakterien und Viren resistent ist“, berichtet Sarah Lentz.

Die Pandemie verhindert den Australienaufenthalt, aber nicht die gemeinsame Forschung.

Die Promotionsstudierenden müssen im Rahmen ihres Joint PhDs mindestens ein Jahr an der jeweiligen Gastuniversität verbringen. Die Pandemie macht die Forschung an der Gastuniversität, ein Kernpunkt des Doppelabschlusses, seit März 2020 jedoch unmöglich. Die Nachwuchswissenschaftler hat die Pandemie in einer heißen Phase ihrer Doppelpromotion getroffen. Sie lassen sich dadurch jedoch nicht entmutigen, sondern setzen den von ihnen eingeschlagenen Weg unbeirrt fort.

Sarah Lentz war im Frühjahr 2020 gerade erst für ihren zweiten Forschungsaufenthalt in Melbourne angekommen, als sie diesen aufgrund der Pandemieeinschränkungen abbrechen und vorzeitig nach Bayreuth zurückkehren musste. Für Australien gilt bis auf Weiteres ein umfassendes Einreiseverbot für alle ausländischen Reisenden. Die junge Doktorandin hat jedoch weiterhin die Hoffnung, ihre Forschung in Melbourne in diesem Jahr wiederaufzunehmen und erfolgreich abschließen zu können.

Nicholas Chan hatte seinen einjährigen Aufenthalt in Bayreuth bereits ab März 2020 geplant. Aufgrund der Reisebeschränkungen konnte er ihn jedoch bisher nicht antreten. Er hofft nun, mit einem Jahr Verspätung, Ende März dieses Jahres seine Forschungen an der Universität Bayreuth aufnehmen zu können. Bis dahin tauschen sich die Nachwuchswissenschaftler regelmäßig digital sowohl gegenseitig, als auch mit ihren Betreuern an der Gastuniversität aus.

Auch die beteiligten Universitäten zeigen sich angesichts der außergewöhnlichen Situation flexibel und lockerten die Bestimmungen über die Mindestlänge des geforderten Aufenthaltszeitraums an der Gastuniversität. Die University of Melbourne hat zudem die Bewerbungsfrist für Promotionsstipendien für einen Doppelabschluss mit der Universität Bayreuth noch einmal verlängert, so dass sich zu unseren aktuellen Kandidaten hoffentlich bald weitere Doktoranden gesellen, die die Forderung, im Rahmen ihrer Promotion Grenzen zu überschreiten, wörtlich nehmen.

LLM-Abschluss in Melbourne – aufgeschoben aber nicht aufgehoben!

Tizian Göbel ist Jurist und hat sich nach seinem Studium in Bayreuth im Rahmen eines Stipendienprogramms für einen LLM-Abschluss an der La Trobe University in Melbourne entschieden. Auch sein Australienaufenthalt sollte bereits im Juli 2020 beginnen, musste jedoch aufgrund der Einreisebeschränkungen durch Covid-19 auf März 2021 verschoben werden. Für Tizian Göbel war die Möglichkeit, zusätzliche fachlicher Expertise zu gewinnen mit der Chance zu verbinden, ein Jahr in „Down Under“ zu leben, der Grund, warum er sich nach seinem ersten Staatsexamen für den juristischen Master in Melbourne entschieden hat. Gerade auch nach der harten Zeit im Studium nochmal was Schönes für sich zu machen, so Tizian Göbel, und gleichzeitig etwas, das mit einem akademischen Fortschritt verbunden ist, das habe ihn sehr gereizt.

Tizian Göbel

„Ich verspreche mir von dem LL.M eine Verbesserung meiner Sprachkompetenz im Englischen – einer Etablierung auf einem höheren Niveau, sodass man sich auch im internationalen Bereich sicher fühlt. Gleichzeitig gewinnt man auch noch Einblick in eine andere Rechtskultur“, erläutert Tizian Göbel. „Und das geht nur, wenn man eine längere Zeit im Ausland war. Das kann man nicht am Schreibtisch lernen, sondern das muss man im Ausland erleben und erfahren.”

10 000 miles away from home

Einen großen Sprung von „Down Under“ nach Bayreuth, um in Deutschland Auslandserfahrungen zu sammeln, hat Alex Vollebergh gemacht. Im letzten Bachelorsemester seines Studiums der Ingenieurwissenschaften an der La Trobe University in Melbourne hat er im Rahmen eines Praktikumsprogramms mit der Universität Bayreuth die Möglichkeit genutzt, für sechs Monate in einer Forschungsgruppe am Fraunhofer Institut bei Prof. Frank Döpper mitzuarbeiten. Sein sechsmonatiger Aufenthalt in Bayreuth war für ihn nicht nur aufgrund der großen Entfernung von 16.120 Kilometern eine Herausforderung. Zum ersten Mal für längere Zeit in einem anderen Land, einer anderen Kultur zu leben und zu arbeiten, waren für Alex ganz neue Erfahrungen.

Alex Vollebergh

"Ich hatte das große Glück, eine Reihe von fantastischen Menschen zu haben, die mich persönlich und beruflich unterstützt haben. Das Bayreuther Welcome Services Team half mir in den ersten zwei Wochen fast täglich bei allen administrativen Hürden und kulturellen Barrieren, die ich zu überwinden hatte. Das Team bei Fraunhofer war unglaublich zuvorkommend und hat mir den Einstieg erleichtert sowie mit neuen technischen Konzepten und Projekten vertraut gemacht. Außerdem hatte ich das große Glück, eine schöne Wohnung in sehr zentraler Lage und mit tollen einheimischen Studenten als Mitbewohner zu haben", sagt Alex Vollebergh.

Auch Alex Vollebergh musste seinen Aufenthalt in Bayreuth aufgrund der Pandemie bereits nach sechs Wochen vorzeitig beenden. In seine Abschlussarbeit, die er nach seiner Rückkehr in Melbourne geschrieben hat, sind viele am Fraunhofer Institut gesammelte Erkenntnisse und Erfahrungen eingeflossen. Trotz der verkürzten Dauer seines Praktikums hat Alex Vollebergh in Bayreuth viel gelernt und wertvolle Erfahrungen gesammelt. Er fand die Arbeitskultur in Deutschland interessant und die deutsche Bürokratie schwer zu verstehen. In Bayreuth hat er Freunde gefunden, mit denen er auf jeden Fall in Kontakt bleiben möchte.

Dr. Arnim Heinemann

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