UBTaktuell: Welche Chancen bietet ChatGPT?

Prof. Dr. Martin Huber: Wichtige Chancen liegen in der Kompetenzentwicklung der Studierenden. Sie können die Technologie für bessere Ergebnisse insbesondere in der Recherche nutzen. Microsoft hat seine Suchmaschine Bing nun mit der neuesten ChatGPT-Version 4 verknüpft. Diese Software kann ebenfalls dabei helfen, im Dialog mit der Software beispielsweise neue Forschungsfragen zu entwickeln und zukünftig mit vorhandenen Forschungsdatenbanken abzugleichen. Darüber hinaus werden Studierende für die Arbeit mit künstlicher Intelligenz sensibilisiert und üben den kritischen Umgang mit computergenerierten Texten. Hierfür müssen sie jedoch angeleitet werden. Das erfordert ein Umdenken in Lehrkonzepten und neue Kompetenzen bei den Lehrenden.

Was heißt das für die Lehre?

ChatGPT wird die Lehre nachhaltig verändern, da alle Fächer neu definieren müssen, was ihre Kernkompetenzen sind, die sie bei den Studierenden entwickeln wollen. Zentrale Fragen der Lehre werden sein: Was müssen die Studierenden wissen und verstanden haben, wie können sie Probleme des Fachs analysieren und was müssen sie in einem kreativen und wissenschaftlichen Prozess entwickeln? Inwiefern kann mich dabei die KI – zum Beispiel bei Recherchen, Textüberarbeitungen und Analysen – unterstützen? Welche fachspezifischen Kompetenzen brauchen die Studierenden, um die KI-generierten Informationen kritisch analysieren und bewerten zu können? Weil sich die Ziele von Lehre verändern, gestalten wir auch die Lehr- und Lernprozesse für Studierende entsprechend und passen die Prüfungsformen daran an. Aktuell bietet das Zentrum für Hochschullehre (ZHL) entsprechende Ausbildungsformate für alle Lehrenden an und entwickelt sie fort. Dort ist auch geplant, die Studierenden in den Diskussionsprozess mit zu integrieren.

Was wird konkret geplant?

Wir werden in allen Studiengängen eine fachspezifische Reflexion auf die Auswirkungen von KI integrieren. Außerdem entwickelt die Universität Bayreuth auch eigene Studienprogramme, die sich mit der Anwendung von KI in der Wissenschaft, den Auswirkungen der auf Menschen bezogenen KI etwa hinsichtlich ethischer Fragen und der Entstehung von Wissen befassen. An der Universität Bayreuth arbeiten aktuell über 100 Forscherinnen und Forscher, die sich in ihrer Forschung mit informatischen Prozessen und Künstlicher Intelligenz beschäftigen. 

Welche Risiken sehen Sie in textgenerierenden Suchmaschinen?

Ich möchte das nicht als Risiko bezeichnen. Aber natürlich müssen wir die Konsequenzen im Auge haben: Manche Bereiche beim Verfassen von schriftlichen, wissenschaftlichen Arbeiten könnten durch aktuelle Suchergebnisse von ChatGPT ersetzt werden, da aktuell die Software passable – wie ich finde, allerdings keine sehr eleganten – Antworten generiert. Die Software wird zukünftig noch besser und kann auf aktuelle Daten aus dem Internet zugreifen. Studierende könnten die Software nutzen, um Teile einer schriftlichen Arbeit damit zu erzeugen.

Reden wir hier von Plagiaten?

Schon jetzt gilt, dass Textpassagen, die eine Software generiert hat, als solche zu kennzeichnen sind. Hierfür gibt es bereits Plagiatserkennungssoftware. Aktuell werden die zukünftig benötigten Prüfungsformen, die auf die Nutzung von ChatGPT reagieren in den Fakultäten diskutiert. Wie die Lehre wird ChatGPT auch unsere Logik der Prüfungen verändern, denn in den Prüfungen wollen wir die fachwissenschaftlichen Kompetenzen Studierender abprüfen. Dafür werden wir verstärkt individualisierbare Prüfungsformen und Prüfungskonzepte nutzen, die von Studierenden Transferleistungen und situatives Anwenden erfordern. Außerdem erweitern wir die Prüfungen auf die kritische Reflexion über den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Forschungs-, Arbeits- und Schreibprozess. 

KI-generierte Texte und Hausarbeiten – ein ongoing process:

Studierende haben die Möglichkeit, zum Beispiel ChatGPT für Zwecke der Inspiration zu nutzen. Fremde Texte, ob von ChatGPT oder aus sonstigen Quellen, müssen, wenn sie in Haus- oder Abschlussarbeiten verwendet werden, aber weiterhin als Zitat vermerkt werden. Derzeit wird darüber diskutiert, ob auch die KI-Prompts (also die Fragen oder Aufforderungen, die der KI gestellt werden) mit aufgeführt werden müssten, sodass die Lehrenden die Arbeit mit der KI analysieren und bewerten können. Ebenfalls wird diskutiert, inwiefern sich die Bewertungskriterien ändern sollten, da Studierende nun in der Arbeit mit ChatGPT neue Kompetenzen benötigen. Zuständig für den konkreten Umgang und die Bewertung der Kompetenzen sind die jeweiligen Fachbereiche in den Fakultäten. 

Also hat sich das reine Wiedergeben von Erlerntem erledigt?

Das hängt natürlich stark vom Fach ab. Aber ja, ich denke, wir müssen von unseren Studierenden eher verlangen, die richtigen Fragen zu stellen, als nur die richtigen Antworten zu geben. Es braucht bei allen Beteiligten – Lehrenden und Studierenden – neue Kompetenzen im Umgang mit automatisierten Schreibhilfen, sodass wir am Ende des Studiums auch KI-kompetente Absolventen in allen Fachbereichen entlassen.

Dass ChatGPT die Art zu Prüfen ändert, liegt auf der Hand. Was ist mit der Art zu lehren? Muss die sich auch ändern? Inwiefern? Was ist mit den Lehrinhalten?

Lassen wir das die einmal KI selbst beantworten. Wenn wir diese Frage an bing stellen, sieht das Suchergebnis im Chat-Modus so aus:

„Die Art zu lehren an Universitäten sollte sich mit ChatGPT so ändern, dass die künstliche Intelligenz als eine Hilfe und nicht als eine Bedrohung angesehen wird. Einige mögliche Änderungen sind:

• Die Lehrkräfte sollten die Studierenden dazu anregen, ChatGPT kreativ und kritisch zu nutzen, um ihre eigenen Texte zu verbessern, zu erweitern oder zu variieren, aber nicht um sie zu ersetzen oder zu plagiieren.

• Die Lehrkräfte sollten die Studierenden dazu befähigen, ChatGPT-Texte von menschlichen Texten zu unterscheiden, indem sie ihnen beibringen, wie sie die Qualität, die Quellen und die Argumentation der Texte überprüfen können.

• Die Lehrkräfte sollten die Studierenden dazu ermutigen, ChatGPT als einen Lernpartner zu verwenden, der ihnen Fragen beantwortet, Erklärungen liefert oder Dialoge führt, aber nicht als einen Lehrer, der ihnen die Inhalte vorgibt oder bewertet.

• Die Lehrkräfte sollten die Studierenden dazu auffordern, ChatGPT ethisch und verantwortungsvoll zu verwenden, indem sie ihnen die rechtlichen, moralischen und sozialen Konsequenzen ihres Handelns bewusst machen und ihnen die Grenzen und Risiken von künstlicher Intelligenz aufzeigen.

ChatGPT kann also eine Chance sein, das Lehren und Lernen an Universitäten zu bereichern, zu diversifizieren und zu individualisieren, wenn es richtig eingesetzt wird.“

Dieses Bing Chat-Ergebnis vom 15.2.2023 will ich kommentieren und einordnen: Die Software stellt übersichtlich dar, welche möglichen Änderungen denkbar sind. Dabei fokussiert sich die Software auf die Perspektive der Lehrenden, was diese gegenüber den Studierenden tun sollten. Sie sollen sie anregen, befähigen, ermutigen und zur Nutzung auffordern. Leider geht die Software nicht auf die Risiken ein, die entstehen, wenn Studierende mit der KI-Nutzung weniger gut zurecht kommen und dadurch abgehängt werden könnten. Ebenfalls wird die Dimension des Datenschutzes nicht benannt, denn Studierende dürfen nicht gezwungen werden, persönliche Daten in Form von Nutzerkonten o.ä. preiszugeben. Das Chat-Ergebnis spricht auch nicht an, welche Grenzen die Software hat, denn aktuell kann sie – unseres Wissens nach – vor allem nur auf freie, digitale Bildungsinformationen zugreifen und nicht auf Informationen hinter Paywalls oder auf nicht digitalisierte Wissensbestände. Allerdings würdigt sie den ethischen Umgang mit den Ergebnissen, denn es ist wichtig zu wissen, dass ChatGPT mit Texten aus dem Internet gefüttert wurde, deren Herkunft und z.B. politische Agenda nicht immer direkt erkennbar ist. Folglich müssen wir alle Ergebnisse kritisch reflektieren. Es ist zu begrüßen, dass mit ChatGPT4 die Querverweise zu anderen Quellen aufgeführt sind und wir Zugriff auf die vermeintlichen Hintergrundtexte erhalten. Interessant ist der letzte Satz, der anspricht, dass es Möglichkeiten der Individualisierung für Studierende gibt. Hier sollte weiter nachgedacht werden, wie das konkret aussehen könnte. 

Hintergrund ChatGPT

Von Dipl.-Päd. Paul Dölle, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Hochschullehre (ZHL) der Universität Bayreuth

ChatGPT ist ein natürlichsprachlicher Prozessor, der durch maschinelles Lernen trainiert wurde. Es nutzt ein neuronales Netzwerk, das auf eine große Menge an Texten trainiert wurde, um menschenähnliche Texte zu generieren. ChatGPT kann in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden, wie z.B. automatische Essay-Generierung, Übersetzungen, Textzusammenfassungen, Frage-Antwort-Systeme und vieles mehr. Es kann auch als Werkzeug zur Unterstützung des Schreibens und der Kommunikation eingesetzt werden. So kann es Lehrenden helfen, Zeit zu sparen und Studierenden dabei helfen, ihre Schreibfähigkeiten zu verbessern. Die Software und die Datenbanken dahinter werden stetig weiterentwickelt. Seit Mitte Februar ist die nächste Generation GPT4 in der Suchmaschine bing von Microsoft enthalten.

Interessant ist, dass ChatGPT Text silbenweise per statistischem Modell produziert. Die Software prüft, welche nächste Silbe (Token genannt) an dieser Stelle am ehesten wahrscheinlich wäre. Möglich macht das eine große Bandbreite an Parametern, anhand derer entschieden wird. Bei ChatGPT3 sollen 175 Billionen Parameter eingebettet sein. Die Anzahl der Parameter entscheidet über die Qualität der Ergebnisse. Experten schätzen die weitere Entwicklung von solchen neurolinguistischen Prozessoren auf „exponentiell“ ein, die Software wird also vor allem nur noch besser. Aktuell finden wir aber noch viele Antworten der Software, die Fehler enthalten, insbesondere, weil die Software kein semantisches Verständnis dessen hat, was sie schreibt. Erst seit der Integration in bing werden Querverweise auf weitere Webseiten oder Internetdokumente angegeben. Daumen hoch und Daumen runter Interaktionen mit den Nutzern sollen den Suchmaschinenbetreibern helfen, die Ergebnisse zu verbessern.

Quellen: https://www.heise.de/news/KI-Microsoft-und-NVIDIA-entwerfen-grosses-generatives-Sprachmodell-6214885.html und https://indianexpress.com/article/technology/tech-news-technology/chatgpt-4-release-features-specifications-parameters-8344149/#:~:text=According%20to%20the%20response%2C%20ChatGPT%204%20will%20have,Asking%20%23chatGPT%20to%20give%20the%20size%20of%20%23GPT4%21

Kontakt:
Paul Dölle

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Hochschullehre (ZHL) der Universität Bayreuth

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E-Mail: paul.doelle@uni-bayreuth.de

Martin Huber

Prof. Dr. Martin HuberProfessor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft

Universität Bayreuth
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Anja-Maria Meister

Anja-Maria MeisterPressesprecherin der Universität Bayreuth

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