Lebensmittelrechtler befragen Bürger über Gentechnik-Pläne in der EU
Der Lehrstuhl für Lebensmittelrecht an der Fakultät für Lebenswissenschaften: Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit in Kulmbach hat 24 junge Menschen aus Bayern eingeladen, um in einer Citizen Jury über Herausforderungen und Chancen von Genveränderung in Lebensmitteln zu diskutieren.
Kann man nachverfolgen, welcher Bestandteil eines Produkts wann wo genverändert wurde? Woran erkennt der Verbraucher, die Verbraucherin, welche Inhaltsstoffe genverändert sind? Ist „genverändert“ gut oder schlecht? Gesund oder ungesund? Dies sind die Fragen, die an diesem Wochenende durch das Kutschenhaus in Schloss Thurnau wabern.
An jedem der vier großen Tische sitzen jeweils acht Personen und diskutieren. Sie haben bereits hochkarätigen Input bekommen, nun sortieren sie ihre Fragen. Sie sind Mitglieder einer „Citizen Jury“, deren Ideen und Bedenken, Fragen und Lösungsvorschläge in die EU-Gesetzgebung Einzug halten sollen. „Es ist faszinierend, irgendwie an der EU-Gesetzgebung teilzuhaben“, sagt eine Teilnehmerin. Ein anderer freut sich über die Gelegenheit, „sich mit echten Koryphäen auszutauschen“ und wieder eine andere Teilnehmerin "will hier deutlich machen, dass man nicht die Gentechnik braucht, um die Welternährung sicherzustellen, sondern ein Umdenken in Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie“. Ihr Sitznachbar kommt ins Grübeln, „wie man die Menschen besser informieren kann“.
Hintergrund der Citizen Jury sind zahlreiche anstehende Änderungen der Verordnungen zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO) auf EU Ebene: Der Einsatz von Gentechnik oder DNA-Rekombinationstechnik ist streng geregelt. Bevor ein gentechnisch veränderter Organismus oder ein solcherart verändertes Produkt in der EU auf den Markt gebracht werden darf, wird es systematisch und gründlich auf seine Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt untersucht. Welche Akzeptanz GVO haben, das sollen die vorwiegend jungen Mitglieder des Bürger Gremiums diskutieren. „Schließlich werden sie es sein, die von den Auswirkungen neuer Gesetze betroffen sein werden“, sagt Prof. Dr. Kai Purnhagen, an dessen Lehrstuhl die Citizen Jury initiiert wurde. „Am Ende wollen wir darstellen können, unter welchen Bedingungen Bürger und Bürgerinnen neuen genomischen Techniken in Pflanzenzüchtung und in der Lebensmittel- und Futtermittelverwendung zustimmen würden“, fasst Alexandra Molitorisova, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl und Organisatorin der Citizen Jury, zusammen. Purnhagen kündigt an: „Die Ergebnisse werden im Rahmen eines Policy Papers der Kommission sowie dem Joint Research Center der EU zur Verfügung gestellt. Sie werden dann Einfluss finden auf das Gentechnikrecht, das bisher wegen seiner angeblich schwachen Einbeziehung der Bürger kritisiert wurde.“
Viele der in Thurnau beteiligten Experten sind Berater der EU-Kommission. Darunter Prof. Dr. Detlef Bartsch, Leiter der Abteilung "Gentechnik" beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Assoc. Prof. Dennis Eriksson der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften, Koordinator des Horizon Europe-Projekts GeneBEcon zu Gene Editing bei Kartoffeln und Mikroalgen, Prof. Dr. Justus Wesseler, Inhaber des Lehrstuhls für Agrarökonomie und ländliche Politik an der Universität Wageningen und Prof. Dr. Philipp Aerni, Direktor des Center for Corporate Responsibility and Sustainability und Professor für Nachhaltigkeit und Impact Entrepreneurship an der Hochschule für Wirtschaft Freiburg, sowie ETH-Professor Urs Niggli, Präsident des Schweizer Instituts für Agrarökologie.