Jahreskonferenz des Exzellenzclusters: Die afrikanische Jugend im Mittelpunkt
Der Exzellenzcluster Africa Multiple an der Universität Bayreuth veranstaltet Mitte Mai seine letzte große Jahreskonferenz, bevor die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Entscheidung zu einer möglichen neuen Förderphase fällt. Die Clustersprecher Prof. Dr. Rüdiger Seesemann und Prof. Dr. Ute Fendler erklären im Interview mit UBTaktuell, welche Themen bei der Konferenz eine zentrale Rolle spielen und was Teilnehmer bei der Konferenz konkret erwartet.
UBTaktuell: Vom 14. bis zum 16. Mai 2025 findet die jährliche Clusterkonferenz unter dem Titel „Temporalities, Youth (Im)mobilities and Agencies: Africa on the Move“ statt. Wie kam es dazu, in diesem Jahr den Fokus auf die Jugend in Afrika zu legen?
Rüdiger Seesemann: Der Exzellenzcluster Africa Multiple gibt sich jedes Jahr ein Rahmenthema, das wir gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen an unseren vier afrikanischen Partneruniversitäten bearbeiten. Für 2025 lautet es „Zeitlichkeiten“ (temporalities), und die inhaltliche Federführung liegt diesmal bei Prof. Dr. Anthony Okeregbe, einem Kollegen an der Universität Lagos (Nigeria). Er hat „Jugend in Afrika“ als thematischen Schwerpunkt für die diesjährige Konferenz vorgeschlagen. Angesichts der Tatsache, dass in vielen afrikanischen Ländern mehr als 50 % der Bevölkerung unter 25 Jahre alt ist, schenkt dieses Thema den Fragen und Interessen dieses Teils der afrikanischen Bevölkerung die nötige Aufmerksamkeit. Sie sind es, die die Zukunft gestalten werden.
UBTaktuell: Die Konferenz geht aus dem Rahmenthema „Zeitlichkeiten“ hervor. Was kann man darunter verstehen?
Ute Fendler: Der Begriff „Zeitlichkeiten“ eröffnet zunächst eine Perspektive, die die Entwicklung und Veränderungen eines betrachteten Forschungsgegenstands im Laufe der Zeit in den Blick nimmt. Das bedeutet konkret: Was immer wir untersuchen, ist im Kontext seiner zeitlichen Einbettung und Ausrichtung zu analysieren. Darüber hinaus – und dieser Punkt ist gerade in Afrika mit seiner Vielfalt von Lebenswelten von besonderer Bedeutung – ist das Leben in verschiedenen Gesellschaften durch unterschiedliche Rhythmen geprägt, sei es in der Organisation des Alltags oder religiöser Rituale, in der Gestaltung von Bildung oder im Ablauf von Zusammenarbeit in Arbeitswelten. Hinzu kommt, dass auch die Vorstellung von Modernität und die Sicht auf Vergangenheit und Zukunft kulturell und sozio-historisch unterschiedlich ausfallen. In unserer Arbeit im Exzellenzcluster Africa Multiple hilft uns diese Perspektive, die oft sehr eng gefasste Außenwahrnehmung Afrikas als „traditionell“, „unterentwickelt“ oder nur von Krisen geprägt zu hinterfragen. Generell ist die Untersuchung der Bedingungen und Auswirkungen von Zeitlichkeiten für das Verständnis gesellschaftlicher Entwicklung und globalen Austauschs von zentraler Bedeutung.
UBTaktuell: Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich von der Konferenz zum laufenden Diskurs über die Mobilität afrikanischer Jugendlicher sowohl auf dem Kontinent als auch in der Diaspora?
Ute Fendler: Mobilität im Allgemeinen und im Speziellen von jungen Menschen auf dem Kontinent war schon immer von besonderem Interesse, sowohl für staatliche und nichtstaatliche Akteure als auch für die Forschung. Durch Mobilität rücken Länder und Regionen näher zusammen, sie ermöglicht Begegnungen und wird z.B. durch Bildungsprogramme und Anwerbungspraktiken gefördert. Zugleich ist Mobilität oft auch ein Indikator für Krisen. Die Migrationsbewegungen von Afrika nach Europa werden insbesondere unter diesem Blickwinkel wahrgenommen. Dabei fällt die große Bandbreite von Mobilitätsphänomenen ebenso unter den Tisch wie die Migration aus und in andere Weltregionen, etwa Südasien oder Südamerika. Indem unsere Konferenz dieses Themenfeld in den Vordergrund stellt, sucht sie seiner Diversität und Komplexität gerecht zu werden.
UBTaktuell: Was bedeutet eine solche Konferenz generell für den Exzellenzcluster Africa Multiple?
Rüdiger Seesemann: Die Konferenzen über die letzten Jahre waren immer einem Jahresthema gewidmet, das es den Forschenden aus den fünf Cluster-Standorten ermöglichte, sich intensiv zu einem konzeptuellen Rahmen auszutauschen und Antworten auf drängende Forschungsfragen zu finden. Der wissenschaftliche Ertrag schlägt sich in gemeinsamen Publikationen nieder. Durch die Einbindung von politischen Akteuren, Künstlerinnen und Künstlern sowie die Herstellung einer größeren Öffentlichkeit reicht dieser Austausch auch stets über universitäre Debatten hinaus.
UBTaktuell: Die Konferenz findet in einem hybriden Format statt. Welche Teilnehmer werden in Bayreuth und online erwartet und was sind die Programmhighlights?
Ute Fendler: Dies wird die erste große Konferenz im neuen Forschungszentrum Afrika sein, also in dem neuen Gebäude auf dem Campus der Universität Bayreuth, das am 14. Mai unmittelbar vor Beginn der Konferenz offiziell eröffnet wird. Den Auftakt bildet eine Keynote von Prof. Dr. Grace Adeniyi-Ogunyankin, einer renommierten Spezialistin für Black Studies and Gender Studies an der kanadischen Queens University. Im Anschluss sorgen Les Soeurs Doga, ein Zwillingspaar aus Burkina Faso, und DJ Marek für die musikalische Umrahmung und festlichen Ausgang des Eröffnungsabends. An den beiden folgenden Tagen sind zwei prominent besetzte „Roundtables“, 12 Panels und eine Ausstellungseröffnung im Iwalewahaus geplant. Von den insgesamt 267 angemeldeten Teilnehmenden erwarten wir 170 vor Ort, davon etwa 100 aus Afrika. Leider können nicht alle unsere Kolleginnen und Kollegen der afrikanischen Cluster-Standorte vor Ort teilnehmen. Das hybride Format erlaubt es aber auch ihnen, sich aktiv mit Vorträgen und Diskussionsbeiträgen zu beteiligen.
UBTaktuell: Wie geht es mit den bei der Konferenz gewonnenen Erkenntnissen weiter?
Rüdiger Seesemann: Die diesjährige Konferenz ist die letzte während der insgesamt siebenjährigen Förderungsdauer für Exzellenzcluster, die 2019 begann. Wenn Ende Mai 2025 die Entscheidung über eine mögliche zweite Laufzeit bekanntgegeben wird, ist Africa Multiple hoffentlich mit von der Partie. Wir werden im letzten Halbjahr der jetzigen Laufzeit eine wissenschaftliche Bilanz dieser wie auch der vorherigen Konferenzen ziehen und die Ergebnisse veröffentlichen. Sofern der Verlängerungsantrag unseres Clusters erfolgreich ist, werden die gewonnenen Erkenntnisse außerdem die Basis bilden, auf der wir in der neuen Laufzeit die konzeptuelle und strukturelle Neugestaltung der Afrikaforschung in neue Dimensionen führen.

