„Mir ist es wichtig, dass sich die Leute hier einbringen“
Dr. Nicole Kaiser, Kanzlerin der Universität Bayreuth, spricht im Interview mit der UBTaktuell über das erste Jahr als Kanzlerin.
Vor einem Jahr wurde Dr. Nicole Kaiser ins Amt der Kanzlerin der Universität Bayreuth gewählt, als wir alle dachten, das war’s jetzt mit der Pandemie und dem Ausnahmezustand. Und doch folgte noch ein weiteres Corona-Jahr. Darüber hinaus wuchsen in der Zeit neue Anforderungen an Universitäten – Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Transfer – und die High Tech Agenda im Freistaat brachte Dynamik ins Berufungsgeschehen. Alles in allem dicke Brocken auf der Prioritätenliste der Kanzlerin. Im Gespräch mit UBTaktuell berichtet sie, wie es ihr damit geht.
Ein Jahr im Amt als jüngste Kanzlerin einer Uni in Deutschland: Wie fühlt sich das an?
Nicole Kaiser: Passt, wie wir in Franken sagen. Die Zeit ist unheimlich schnell vergangen, es ist sehr viel geschehen, wir haben ja immer noch extrem dynamische Zeiten. Ich muss sagen, dass ich sehr froh bin, dass wir als Team in diesem vergangenen Jahr so gut funktioniert haben. Das hat mich ein Stück weit auch durch mein erstes Jahr getragen.
Alles noch neu oder schon Routine?
Ich weiß nicht, ob in einer solchen Funktion jemals Routine eintritt. Und ich hoffe, ehrlich gesagt, dass Routine auch nicht eintritt. Ich denke aber, manche Dinge sind vertrauter, ja, mehr Erfahrungswerte sind gewonnen, man kennt manchen Kontext besser – wobei mir auch da meine Vorerfahrung zugutekommen. Ich wüsste nicht, wie das ohne dieses Vorwissen hätte klappen sollen.
Was macht am meisten Spaß?
Wenn ich merke, dass wir spannende Leute in Wissenschaft und Administration für die Uni Bayreuth gewinnen können. Wir haben echt tolle neue Leute nach Bayreuth geholt. Wenn ich da merke, die begeistern sich für uns, und diese Leute mit ihren Ideen kennenzulernen, das sind wirklich tolle Momente. Und ich finde es toll, zu sehen wie sich auch in der Administration die Teams entwickeln. Und dann zu sehen, welche Impulse da herauskommen und wo angepackt wird, das ist jedes Mal ein gutes Gefühl.
Worauf würden Sie in dem Job lieber verzichten?
Da muss ich wirklich überlegen… vielleicht auf das ein oder andere Grußwort (lacht).
Wie war es, von einer Kollegin zur Chefin zu werden?
Klar, es war ein Wechsel. Aber weil ich ja schon einmal von der Referentin zur Abteilungsleiterin gewechselt bin, war der Wechsel zur Kanzlerin zwar anders, aber eben durch Vorerfahrungen auch nicht mehr so gravierend. Mit einigen Kolleg*innen haben wir es auch ganz offen thematisiert und etwaige Unsicherheiten ausgeräumt, das war gut. Es gibt halt jetzt öfter ein „Du“ hier in der ZUV. Aber das ist auch ein anderer Führungsstil, der kann ebenso wertschätzend sein.
Ist das der Generationswechsel – auch im Führungsstil?
Es geht ja hier nicht nur um den Umgang miteinander und die Frage, ob wir uns duzen oder siezen. Das hat nicht nur mit einem Generationswechsel zu tun – der uns überall in der ZUV bevorsteht. Das wird auch durch die Pandemie virulent: Führen mit digitalen Tools und aus der Ferne, von Mitarbeiter*innen im Homeoffice – all das muss stets neu bewertet, ausprobiert und neu erlernt werden. Aber ja, ganz klar: Wir haben jetzt zum Beispiel mit den Herren Küffner und Tietze neue junge Führungskräfte am Werk oder stehen eben kurz davor, neue Kräfte für zentrale Schlüsselstellen zu gewinnen. Herr Schatke, der Leiter der Zentralen Technik, geht nächstes Jahr in den Ruhestand. Da tut sich aktuell eine Menge.
Wie schwer ist es, solche Stellen zu besetzen?
Wir stehen in einem starken Wettbewerb. Besonders schwierig ist das im Baubereich. Nicht nur deshalb steht das Thema Personalentwicklung ganz oben auf meiner Liste, das ist im ersten Jahr vielleicht noch nicht so durchgedrungen, aber es bleibt auf meiner Agenda.
Welche Punkte Ihrer Agenda des ersten Jahres sind abgehakt?
Es ist alles eher ein prozesshaftes Vorankommen, wo wir gewisse Schwerpunkte haben, die wir immer mitdenken. Ich hoffe, dass da schon einiges sichtbar wurde. Aber gerade in einer Zeit, wie jetzt: Wir wachsen gigantisch, sind im Wandel, Corona beschäftigt uns länger als gehofft und gewollt, da können einige Themen auch nicht in dem Umfang bearbeitet werden, wie es wünschenswert wäre. Aber natürlich kann man schon ein wenig bilanzieren: So haben 21 neue Professorinnen und Professoren ihren Dienst seit April 2021 an der UBT angetreten, davon 12 aus der Hightech Agenda finanziert. Die Umsetzung der Hightech Agenda ist also in vollem Gange. So ist das BayBatt ins BAT-Gebäude eingezogen, der Grundstückskauf für die siebte Fakultät in Kulmbach ist notariell besiegelt, die Verhandlungen für die Vergabe für den Bau des Afrikaforschungsgebäudes stehen kurz vor dem Abschluss. Da ist schon einiges vorangegangen.
Ein konkretes Beispiel aus der Verwaltung?
Ja, auf dem Feld der Digitalisierung, der „Formcycle“ oder Formularserver findet in immer mehr Bereichen Anwendung. Da sind wir wirklich gut vorangekommen, Formulare umzuziehen und neu als e-Formulare aufzusetzen. Ganz aktuell zum Beispiel mit dem Launch des Formulars „Bezahlung "externer" Rechnungen / Bewirtungskosten / Kostenerstattung“. Oder auch dem digitalisierten Prozess der zentralen Beschaffung. Es ist eine echte Erleichterung für uns, in der Verwaltung und für die Lehrstühle, dass wir von der Beschaffung bis zur Abrechnung alles digitalisiert haben. Da bin ich allen beteiligten Teams, von der IT bis zu den Fachabteilungen sehr, sehr dankbar. Denn da sind wir bayernweit in einigen Projekten wirklich ganz vorne dran.
Wie gehen Sie mit dem Wachstum z.B. durch die Hightech Agenda in der Professorenschaft bei gleichzeitigen Stagnation der Ressourcen in der Verwaltung um?
Wir sind in einer sehr herausfordernden Situation – Wachstum in der Wissenschaft. So sorgen der Aufbau und die Integration von neuen Professuren und Lehrstühlen immer für eine überdurchschnittliche Belastung der Verwaltung und auch der Wissenschaft – dann neue Ansprüche und Herausforderungen. Stichworte sind hier: Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Transfer und Nach-Corona-Betrieb. Gleichzeitig haben wir nicht die Menge an neuen Stellen und Mitteln, um das gut und perfekt zu machen. Das ist ein Jonglieren. Wo können wir Priorisieren? Wo können wir uns etwas erleichtern? Zum Beispiel ist eine Arbeitsgruppe gerade dabei, für das Onboarding neuer Professor*innen einige Unterstützungsangebote zu entwickeln. Aber ja, mir ist bewusst, dass die nächsten 1,5 Jahre eine harte Zeit werden.
Sie spielen auch auf die nicht üppiger werdenden Finanzen an?
Das ist schön formuliert. Während vieles teurer wird, wachsen unsere Finanzen nicht im gleichen Maße. Erneuerungs- und Bauunterhaltsmaßnahmen, beispielsweise im Rahmen von Berufungen, sind in den letzten zwei Jahren deutlich teurer geworden. Und auch die Kosten der Pandemie, u.a. im Bereich Bewirtschaftung, Reinigung oder IT, merken wir deutlich. Einiges, was in früheren Jahren zusätzlich finanziert werden konnte, ist derzeit nicht mehr ohne weiteres möglich. Oft würde ich Ideen und Maßnahmen auch gerne finanziell mehr unterstützen oder Anschubfinanzierungen fortführen. Aber aktuell müssen wir auch in den Finanzen priorisieren.
Wie würden Sie dann Ihre Aufgabe zum Campus hin definieren?
Ich kann nur versuchen, zu motivieren, zu erklären und um Verständnis zu werben. Es geht ja nicht nur der Uni Bayreuth so, auch einige meiner Kollegen klagen. Wir alle haben die neuen Aufgaben, ohne dafür ausreichend neue Stellen zu bekommen. Das ist eine wirkliche Herausforderung. Da hilft aber nix. Aber wir müssen auch hinschauen, was läuft gut und warum macht es Spaß an der Uni Bayreuth. Und ich höre immer wieder von Externen und bzw. oder Ehemaligen: Hey, das Campus-Feeling, die kurzen Wege, das ist etwas, das es nirgends anders gibt.
Was sind die nächsten wichtigen Prioritäten?
Ganz sicher, den Campus wieder zusammen zu führen und „die Neuen“ zu integrieren. Die Vereinzelung, die beim ein oder anderen während der Corona-Pandemie entstand, zu überwinden. Ich bin ein ganz großer Freund von persönlichem Austausch. Dinge werden im Moment nicht immer so leicht geteilt, wo man sich früher spontan zusammensetzte, muss man jetzt ein Teammeeting verabreden. Wenn aber einige unserer Kolleginnen und Kollegen keine Kamera haben, scheitert das schon. Auch wenn wir daran arbeiten, von jetzt auf gleich, können wir nicht zig PCs austauschen. Und dann entsteht ein Mail-Pingpong. Aber die Uni Bayreuth ist aufgebaut auf kurzen Wegen und auch informelle Strukturen haben aus meiner Perspektive als Stärke mit zum Erfolg beigetragen. Die haben 40 Jahre funktioniert. Und die gehen uns aktuell an einigen Stellen verloren.
Eine Verwaltung auf informellen Strukturen aufzubauen, ist nicht krisentauglich.
Ich würde auch nicht sagen, dass wir die Verwaltung auf informellen Strukturen aufgebaut haben. Die informellen, oft kurzen Wege, ergänzen die formellen Strukturen. Und diese schaffen Vertrauen und Austausch – und ein gutes Miteinander ist doch unabdingbar für ein gutes Arbeitsergebnis. Deshalb möchte ich gerne eine weitest gehende Normalität im persönlichen Austausch, nicht zurück zum alten Normal. Ich möchte zu einem neuen Miteinander, ich möchte die Tools nützen und beispielsweise die Nutzung von MS Teams in der Verwaltung noch weiter voranbringen. Aber ich möchte die Vorteile, die unser Campus hat, die kurzen Wege, die Interaktion, ein echtes Alleinstellungsmerkmal der Uni Bayreuth, diese kommunikative Tradition, die möchte ich wieder beleben.
Worauf freuen Sie sich zum Beginn ihres zweiten Jahres als Kanzlerin am meisten?
Erst einmal darauf, den Sommer auf dem Campus mitzugestalten. Ich möchte, dass wir uns alle fragen: Was haben wir in den zwei Jahren gelernt? Was wollen wir behalten und was wollen wir noch besser machen? Ich freue mich darauf, Leute wieder zu sehen oder neu kennen zu lernen, und vor allem deren Feedback zu bekommen, Anregungen, im persönlichen Austausch, im Gespräch. Darauf freue ich mich!

