Nachdem das Herbstsymposium 2020 coronabedingt auf das Frühjahr 2021 verschoben werden musste, konnte die Forschungsstelle für Lebensmittelrecht (FLMR) nun wieder im gewohnten Rhythmus am 14./15. Oktober 2021 die zwischenzeitlich zweitgrößte lebensmittelrechtliche Tagung erneut mit über 150 Teilnehmern stattfinden lassen – wenn auch als reine online Veranstaltung.

Unter der Moderation von Prof. Dr. Kai Purnhagen, Prof. Dr. Nikolaus Bosch, Prof. Dr. Alfred H. Meyer, Prof. Dr. Markus Möstl und Prof. Dr. Jörg Gundel wurde das 20. Bayreuther FLMR-Herbstsymposium unter dem Motto „Lebensmittelrecht im Mehrebenensystem: Neuerungen, Entwicklungslinien, Spannungslagen“ ein voller Erfolg.

Den Auftakt der Veranstaltung bildete ein Vortrag von Dr. Lorenz Franken vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, welcher den Teilnehmer*innen einen umfassenden Einblick in die Farm to Fork-Strategie gewährte. Im Anschluss referierte der stellvertretende Direktor der FLMR, Prof. Dr. Nikolaus Bosch (Universität Bayreuth) über das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Die Frage, ob bundeseinheitliche Kriterien der Bußgeldbemessung bei lebensmittelrechtlichen Ordnungswidrigkeiten ein Gebot des Rechtsstaates darstellen, wurde in einem anschließenden Diskurs von mehreren Teilnehmer*innen aus Verwaltung, Wirtschaft, Verbraucherschaft und Wissenschaft lebhaft debattiert.

Der Frage, welche Weiterentwicklung und Herausforderungen in der Überwachung des Online-Handels bestehen, ging Dr. Sabine Kurlbaum vom Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit nach.

Freiwillige Tierwohlkennzeichnung gefordert

Dr. Hinrich Snell vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft befasste sich in seinem Vortrag mit der Transformation der Nutztierhaltung. Hierbei legte er seinen Fokus auf das Bedürfnis einer zukunftsfähigen, nachhaltigen und fairen Nutztierhaltung. Der Referent plädierte für die Einführung einer freiwilligen staatlichen Tierwohlkennzeichnung, um auch den Verbrauchern die Relevanz dieser Problematik nahe zu bringen. Zudem erachtet er einen Umbau der Nutztierhaltung für notwendig, der jedoch nur durch massive Förderungen für Investitionen umgesetzt werden könne.

Anschließend stellte Mark Zeller von fTRACE GmbH in seinem Referat die Digitalisierung der Lieferkette als Chance für Effizienz und Rechtssicherheit dar und begründete dies damit, dass die Konsumentenerwartung eine Rückverfolgbarkeit und Transparenz der Lebensmittel beanspruche.

Dr. Evelyn Kirchsteiger-Meier von der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften erläuterte die Neuerungen des Codex Alimentarius und referierte insbesondere zur HACCP und der Lebensmittelsicherheitskultur. Unter anderem sollen Lebensmittelunternehmer sich aktiv in die Lebensmittelsicherheitskultur einbringen und diese fördern, um etwaige Verstöße gegen die lebensmittelrechtlichen Sorgfaltspflichten zu umgehen.

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz kommt

Dr. Stephan Schäfer von ZENK Rechtsanwälte beleuchtete, inwieweit sich das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz praktisch auf die Lebensmittelwirtschaft auswirkt, denn am 01.01.2023 wied dieses in Kraft treten. Ziel des Gesetzes sei es, sowohl die internationalen Menschenrechte als auch den Umweltschutz zu verbessern, indem unter anderem ein Risikomanagement und regelmäßige Risikoanalysen in den Unternehmen durchgeführt werden sollen. Der Referent kritisierte jedoch, dass die praktische Handhabung des Gesetzes aufgrund einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe erschwert werden würde.

Einen erfolgreichen Abschluss des ersten Veranstaltungstages bot Prof. Dr. Alfred H. Meyer (meyer.rechtsanwälte, München) mit seinem Vortrag über das „Empörungsmarketing“ einzelner Hersteller, wie etwa eines Limonadenherstellers, der sein Produkt mit „amtlich unterzuckert“ bewarb, weil die Lebensmittelüberwachung – rechtmäßigerweise – den zu geringen Zuckergehalt der Limonade beanstandet hatte.

Den Auftakt des zweiten Veranstaltungstages absolvierte Dr. Georg Schreiber vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mit dem Thema „Amtshilfe digital – das BVL als nationale Kontaktstelle im EU ‚Alert and Cooperation Network‘“.

Daran anschließend referierte Prof. Dr. Werner Schroeder, LL.M. von der Universität Innsbruck über die Herkunftskennzeichnung und Grenzen der Renationalisierung im Mehrebenensystem. Wobei er die Herkunftskennzeichnung einer kritischen Betrachtung unterzog.

In diesem Kontext bot das Referat von Gaëlle Saint-Jalmes (Qolumn Avocats, Paris) zum Thema „The Lactalis-case: national measures and origin labelling“ eine wertvolle Ergänzung aus französischer Sicht auf Fragen der nationalen Herkunftskennzeichnung.

Unter dem Aspekt der Irreführung referierte Dr. Christian Böhler (Squire Patton Boggs, Frankfurt) ebenfalls über die Herkunftskennzeichnung, insbesondere über die unterschiedlichen Auffassungen des Verbraucherleitbildes sowie die Entwicklungen und Anwendungsbereiche in den verschiedenen Mitgliedsstaaten.

Den Abschluss des Symposiums bildete der Vortrag über das Spannungsfeld mitgliedstaatlicher Regelungen in Bezug auf die Herkunftszeichnung, insbesondere über die „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie und die Bedeutung der neuen Nachhaltigkeitsziele für das Unionsrecht von Peter Loosen LL.M. (Lebensmittelverband Deutschland e. V.).

KBH

Dr. Katja Brzezinski-Hofmannwissenschaftliche Mitarbeiterin Rechtsanwältin

Geschäftsführerin der Forschungsstelle für deutsches
und europäisches Lebensmittelrecht der Universität Bayreuth

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