Was konkret erforschen Sie an der neuen Fakultät in Kulmbach?
Ich erforsche die politischen Voraussetzungen innovativer Gesundheits- und Ernährungspolitik. Zurzeit befasse ich mich vor allem mit gesetzlichen Regelungen zur Nährwertkennzeichnung im Rahmen der Prävention nichtübertragbarer Krankheiten. In diesem wichtigen neuen Politikfeld sind viele lateinamerikanische Länder, allen voran Chile, uns Europäern weit voraus. Auch hier in Deutschland beobachten wir einen ernährungsbedingten Anstieg von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen. Aber der deutsche Staat ist bisher noch sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, Konsumenten effektiv auf die Gefahren einer ungesunden Ernährung hinzuweisen und vor diesen zu schützen.   

Worin sehen Sie den (potenziellen) Nutzen dieser Forschung?
Es ist in den letzten Jahren immer deutlicher geworden, dass eine grundlegende Transformation unserer Lebensmittelwirtschaft und Ernährungsweisen notwendig ist. Ich bin überzeugt, dass dies im Kern vor allem eine politische Herausforderung ist. Daher sind Erkenntnisse darüber, wie eine moderne und effektive Ernährungspolitik politisch umsetzbar ist, von zentraler Bedeutung für Politik und Gesellschaft. Verschiedene politische Faktoren stehen einer effektiveren Prävention ernährungsbedingter chronischer Krankheiten in Deutschland derzeit entgegen, nicht zuletzt die allgemein sehr kurzfristige Orientierung der Politik, aber auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sowie der politische Einfluss von Industrieinteressen. Mit meinen Forschungsprojekten möchte ich diese und andere Kausalzusammenhänge aufzeigen und damit im Endeffekt auch einen Beitrag zu einer konsequenteren Präventionspolitik leisten.

Kooperieren Sie dabei mit Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen in der Region? Mit welchen und wie?
Derzeit noch nicht. Aber ich würde mich freuen, mit lokalen politischen Akteuren ins Gespräch über mögliche Innovationen in der kommunalen Ernährungs- und Gesundheitspolitik zu kommen.

Zur Person

Tim Dorlach hat an der Universität Bayreuth den Bachelor-Studiengang „Philosophie & Economics“ absolviert und anschließend an der Boğaziçi Universität in Istanbul einen Masterabschluss in Türkischer Geschichte erworben. Mit einer Arbeit über Sozial- und Gesundheitspolitik in Chile und der Türkei wurde er 2019 an der Koç Universität in Istanbul im Fach Politikwissenschaft promoviert. Es folgten Forschungsaufenthalte am Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) in Hamburg, an Universitäten in Lima und Montevideo sowie am Hanse-Wissenschaftskolleg in Delmenhorst. Von 2020 bis zu seinem Wechsel an die Universität Bayreuth im Jahr 2021 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am SOCIUM Forschungszentrum für Ungleichheit und Sozialpolitik an der Universität Bremen.

Was sind und welchen Sinn haben Nährwertkennzeichnungen?

Leicht verständliche Nährwertkennzeichnungen auf der Vorderseite von Lebensmittel- und Getränkeverpackungen sind eine zentrale Maßnahme in der Prävention chronischer Über- und Fehlernährung. Wichtig hierbei ist, dass eine solche Nährwertkennzeichnung verpflichtend ist und nicht optional bleibt, wie es in Deutschland zum Beispiel noch mit der Nutri-Score der Fall ist. Eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung unterstützt Konsument*innen beim Kauf gesunder Lebensmittel, kann aber auch weiterführende Politikmaßnahmen ermöglichen, wie zum Beispiel Verkaufsbeschränkungen für ungesunde Lebensmittel in Schulen. Meine eigene Forschung befasst sich vorwiegend mit den politischen Ursachen und Hinderungsgründen solcher Maßnahmen. Deren Wirksamkeit wird vor allem in den Gesundheits- und Wirtschaftswissenschaften untersucht.

Tim Dorlach

Prof. Dr. Tim DorlachJuniorprofessur für Globale Ernährungs- und Gesundheitspolitik

Univeristät Bayreuth

Tel.: +49 (0) 9221/4079254
Mail: tim.dorlach@uni-bayreuth.de

Christian Wißler

Christian WißlerEhemaliger stellvertretender Pressesprecher (im Ruhestand)

Webmaster: Team UBTaktuell