„Aufklärung ist der erste Schritt“
Am 11. Januar ist Prof. Dr. Stefan Rahmstorf, Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam, auf Einladung der örtlichen Scientists for Future im Audimax der Universität zu Gast. Er wird dort über „Die Klimakrise zwischen Doomern und Skeptikern: Was sagt die Wissenschaft?“ sprechen.
„Die Klimakrise zwischen Doomern und Skeptikern: Was sagt die Wissenschaft?“, lautet der Titel Ihres Vortrags in Bayreuth. Was sagt die Wissenschaft – in einem Satz?
„Die Klimakrise ist eine existenzielle Bedrohung, aber wir können das Schlimmste noch abwenden, wenn wir jetzt rasch und entschlossen handeln.“
Nachhaltigkeit wird gerade an der Universität Bayreuth großgeschrieben. Welche Rolle haben öffentliche Institutionen in der Klimakrise?
„Wissenschaftsinstitutionen haben zunächst die Rolle, zu forschen und über Gefahren aufzuklären. Sie haben aber auch eine gewisse Vorbildfunktion, was nachhaltige Praktiken angeht, zum Beispiel was Flugreisen der Mitarbeiter betrifft.“
Können Sie nachhaltige Maßnahmen nennen, die am effizientesten sind, um das 1,5 Grad Ziel einzuhalten?
„Zu den wichtigsten Maßnahmen gehört es, rasch auf 100 Prozent erneuerbare Stromversorgung zu kommen. Aber man kann natürlich nicht nur die effizientesten Maßnahmen ergreifen, sondern muss immer im Blick haben, dass wir beim CO2-Ausstoß auf Null kommen müssen. Das heißt, dass alle Sektoren dekarbonisieren müssen, Verkehr, Gebäude, Industrie, Landwirtschaft. Das erfordert ein umfassendes Maßnahmenpaket.“
Wie begegnet man als Wissenschaftler Skeptikern, die wissenschaftliche Befunde in Frage stellen? Ignorieren oder Missionieren?
„Weder noch. Die in den sozialen Medien aktiven „Klimaskeptiker“ sind zumeist nicht skeptisch sondern ideologisch festgelegt und faktenresistent. Man sollte sich aber immer wieder die Zeit nehmen, ihre für viele Laien plausibel klingenden Argumente sachlich zu widerlegen. Nicht weil man jemals einen dieser Klimaskeptiker überzeugt, sondern für die große Mehrheit der Zuschauer, die noch offen für Argumente sind.“
Wie kommt man als Wissenschaftler angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Angst der Deutschen vor einer Energiekrise noch in der öffentlichen Wahrnehmung mit Klimathemen durch?
„Der russische Angriffskrieg ist ja nur ein weiterer Grund, so schnell wie möglich die Abhängigkeit von fossilen Energien zu überwinden. Insofern ist die Lösung für beide Krisen die gleiche. Es kommt jetzt darauf an, keine neuen Pfadabhängigkeiten zu schaffen, etwa indem wir uns langfristig auf LNG-Nutzung festlegen. Das macht bestenfalls für eine kürzere Übergangsphase Sinn.“
Es scheint, als wären Klima-Themen vor allem für junge Menschen relevant. Wie erreichen Sie die den Rest der Bevölkerung?
„Ich weiß nicht ob das stimmt, es gibt ja auch die Scientists for Future, Omas for Future, usw. Gerade viele ältere Menschen denken schon über die Zukunft ihrer Enkel nach. Und ich bin über 60, will aber noch 30 Jahre leben, dann bin ich so alt wie meine Mutter jetzt und wir sind jenseits des Jahres 2050. Ohne entschiedenen Klimaschutz werden wir schon in den 2030ern die 1,5-Grad-Grenze reißen. Wer unter 70 ist und einen friedlichen Lebensabend verbringen möchte, sollte sich jetzt engagieren.“
Ist Aufklärung alles? Reicht das reine Wissen?
„Aufklärung ist der erste Schritt, aber nicht alles. Daher brauchen wir noch viel mehr Autoren, Filmemacher, Künstler, Psychologen und viele andere, die für Klimaschutz arbeiten und auch unsere Emotionen bei diesem existenziellen Thema ansprechen. Das ist nicht mein Metier als Physiker.“
Darf ein Wissenschaftler politisch Stellung beziehen? Muss er gar?
„Ein Lungenarzt muss seine Patienten vor den Folgen des Rauchens warnen, wir Klimaphysiker vor den Folgen der Treibhausgasemissionen. Als Physiker bin ich aber nicht kompetent, was politische Instrumente angeht – das machen bei uns am Potsdam-Institut Energieexperten und Ökonomen, die etwa Konzepte für eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien erarbeiten oder für eine sozial gerechte CO2-Bepreisung.“