Bereits 2022 war Mo Asumang einmal in Bayreuth, um ihren Film vorzustellen und darüber mit den Zuschauern zu sprechen. Heute, drei Jahre später, ist der Film aktueller denn je. Am 11. und 12. November 2025 ist Mo Asumang wieder zu Gast beim Exzellenzcluster Africa Multiple, um ihren Film zu zeigen und mit Alt und Jung über die aktuellen Themen „Rassismus“ und „Rechtsradikalismus“ zu diskutieren. Wir haben Sie im Vorfeld zu Ihrem Besuch um ein Gespräch gebeten:

UBTaktuell: Frau Asumang, Sie sagen im Film, Sie wollten verstehen, „was hinter diesem Hass steckt“, den Rechtsradikale verbreiten. Dafür haben Sie sich mit Rechtsradikalen in Deutschland und Amerika getroffen. Was war der Auslöser für diesen persönlichen Weg in ein so gefährliches Thema?

Mo Asumang: Es war eine Morddrohung als Lied in Umlauf gebracht worden. Darauf sang die Neonaziband White Aryan Rebels das Lied „Die Kugel ist für Dich, Mo Asumang“ und das bin ich. Ich war bis ins Mark erschüttert und hatte nur Angst. Aus der Angst kamen erst die Vermeidungsstrategien: Ich vermiedes, am Fenster zu sitzen, denn eine Kugel kann durch ein Fenster gehen. Alle Fenster waren tabu. Irgendwann hatte ich mich komplett verloren. Das konnte ich nicht zulassen, also hörte ich auf, mich zu verstecken und ging stattdessen auf die Neonazis zu.

UBTaktuell: Eine der eindrücklichsten Szenen im Film ist, wie Sie Neonazis direkt auf der Straße während einer Demo ansprechen. Sie waren auch bei Anhängern des Ku-Klux-Klans in Amerika. Wie haben Sie es geschafft, in solchen Momenten ruhig und offen zu bleiben?

Mo Asumang: Ich habe Neonazis beobachtet! Immer wieder! Aber ich muss gestehen, das musste ich sehr lange üben. Am Anfang war ich einfach nur getriggert von deren Worten, wie sie mich hassvoll angeschaut haben, und den Gedanken daran, was mir sonst noch alles passieren könnte. Aber von dem Tag an, als ich mir selbst die Erlaubnis gegeben habe hinzuschauen … von da an war alles anders. Was ich bei ihnen wahrnehmen konnte, war Angst.

UBTaktuell: Im Film reisen Sie bis in den Iran, um den wahren Ursprung des Begriffs „Arier“ zu erforschen. Wie war es, diesen Begriff dort in einem völlig anderen, positiven Kontext zu erleben? Und hat diese historische Recherche Ihren Blick auf kulturelle Identität und Herkunft verändert?

Mo Asumang: Die Recherche nach den echten Ariern hat mir gezeigt, dass Identität und Herkunft sehr wohl auch missbraucht werden können. Der Arier-Begriff ist der Inbegriff von „Fake News“. Nur hat das damals nie jemand hinterfragt, sogar nicht mal in den Sechziger-, Siebziger- oder Zweitausender-Jahren. Ich bin erst mal sehr naiv mit dem Namen umgegangen: Da die Band, die die Morddrohung sang, White Aryan Rebels hieß, wollte ich einfach wissen, was man über Arier erfahren kann. Ich konnte sehr lange nicht glauben, dass der Begriff Arier gar nichts mit den deutschen zu tun hat, rein gar nichts, keine alten Ariergräber, keine alten Steininschriften, nichts, alles erfunden von den Nazis.

Der Zweck, Menschen in eine Kategorie einzuteilen, ist natürlich klar. Man will sich über andere stellen, man will eine Kategorie erfinden, wie damals bei den Juden, um sie zu beherrschen. Sobald wir so eine Kategorisierung spüren, müssen wir sehr wachsam sein und sofort handeln, siehe Stadtbilddebatte. Zum Glück haben sehr viele Leute reagiert.

UBTaktuell: Wie sicher haben Sie sich während der Dreharbeiten gefühlt – gab es Szenen oder Begegnungen, die Sie bewusst nicht gezeigt haben, weil sie ethisch oder dramaturgisch zu heikel waren?

Mo Asumang: Es gab Szenen, zum Beispiel aus Gera, da kamen die Neonnazis von der Seite angeschossen und haben dem Kameramann die Kamera ins Gesicht geschlagen. An dem Tag hat der Kameramann zwei Stunden komplett verwackelte Bilder abgeliefert, die nicht sendbar waren. Ich habe unendlich viele Beleidigungen gegen mich on camera, aber wie viel will man davon zeigen? Das Gefühl von Sicherheit habe ich letztendlich nicht durch Kameramänner, sondern durch große, blonde, blauäugige Kamerafrauen erzeugt, die nicht in Muskeln dachten, wie das bei einem Jungen oder Mann eingebrannt ist, sondern eher friedvoll. Die Ruhe, die innere Balance, die Neugierde, vor allem, das war der Schutz. Echte Neugierde auf einen Menschen, auch wenn es ein Rassist ist. Wenn Sie mich aber zehn Jahre früher gefragt hätten, dann hätte ich gesagt: Ich hab Schiss in der Buchse, beim Anblick eines Neon Nazis graust es mich, ich gehe auf die andere Straßenseite. Aber heute ist das anders, heute gehe ich hin, stelle viele Fragen, werte Menschen nicht ab, sondern ergründe sie. Das alles ist eine Energie, die auch auf der anderen Seite beim Rassisten seine Spuren hinterlässt.

UBTaktuell: Manche Kritiker sagen, man dürfe Rassistinnen und Rassisten niemals eine Bühne geben. Wie begegnen Sie diesem Einwand?

Mo Asumang: Ich weiß, was Sie meinen. Aber diese Art von Bühne haben die Rassist:innen bei mir nie bekommen, denn ich halte ja keine Kamera hin, damit sie ungefiltert ihre Äußerungen ihren Hass loswerden können, sondern ich stehe mit meiner dunklen Hautfarbe neben ihnen, schaue sie an, ganz genau an, stelle einfache, aber ungemütliche Fragen. All das können Zuschauer:innen ganz genau beobachten, sie spüren, wie es mir als eine Person geht, die neben dem keifenden Neonazi steht. Das Wichtigste daran ist wohl, dass sie auch sehen können, wie ich auf den Hass reagiere. Fast jeder sagt: Wie konntest du nur so ruhig bleiben? Aber genau das ist die Message! Und die ist viel stärker als die hassvollen Worte, da liest man zwischen den Zeilen etwas, was man selbst auch gern können wollte. Dahin möchte ich die Menschen bringen: zur Offenheit, zur Zivilcourage und zum Dialog.

UBTaktuell: Haben Sie seit dem Film jemals Kontakt mit Menschen gehabt, die ihre Einstellung aufgrund der Begegnung mit Ihnen verändert haben?

Mo Asumang: Ja, in der Tat, das habe ich. Und man fragt sich, wie konnte das geschehen? Ein junger Mann, der mit seinem neunten Lebensjahr in die Naziszene hineingerät, sogar in Schulen rekrutiert, und irgendwann auf mich trifft. Wir haben uns beide gegenseitig geheilt. Das ist mal ein schönes Heil. Wir haben uns viel voneinander erzählt, das hat was in uns bewegt. Und Chris ist ausgestiegen – ich könnte weinen, so schön finde ich das und stark.

UBTaktuell: Hat die Arbeit an „Die Arier“ Sie persönlich verändert – vielleicht auch in Ihrem Vertrauen in den Dialog mit Andersdenkenden?

Mo Asumang: Als ich mich noch nicht mit dem Thema Diskriminierung beschäftigen konnte, weil es innen drin zu weh tat, war ich sehr labil und konnte leicht gekränkt werden. Ich bin froh, dass ich auf sogenannte Andersdenkende zugegangen bin, denn sie waren Trainingspartner für mich, um innere Stärke zu erreichen, und das kann jede und jeder. Wenn wir etwas auf dieser Welt verändern wollen, dann dürfen wir vor allen Dingen eins nicht vergessen: Dialog heißt die Devise! Was mir aber auch klar ist, man muss es üben, denn sonst endet der Versuch von Dialog im Getriggert-werden, im hochroten Kopf, im Zittern, in Übelkeit, in ich-verlass-mal-das-Zimmer und so weiter und sofort. Während meiner persönlichen Veränderung habe ich so viel über Dialog und getriggert werden gelernt, dass ich den Verein MoLab e.V. gegründet habe und nun DialogBotschafter:innen ausbilde.

UBTaktuell: Wenn Sie heute, zehn Jahre später in unserem momentanen politischen Klima eine Fortsetzung drehen würden: Wo würden Sie ansetzen? Gibt es Themen, die Sie noch weiterverfolgen möchten?

Mo Asumang: Ich würde versuchen, auch mit Menschen in der Mitte der Gesellschaft Gespräche zu führen, die dann vielleicht nicht ganz so rabiat sind, aber den Wahnsinn auf ganzer Länge sichtbar machen. In der NS-Zeit waren es ja schließlich die Wählerinnen und Wähler, die den Holocaust erst möglich gemacht haben. Ich weiß, man kann nicht zu jedem, der eine bestimmte Partei wählt, sagen, er oder sie ist Rassist, Aber was man sagen kann: Er oder sie ermöglicht Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Homophobie … Mich würde interessieren, wie jeder einzelne zu seiner Meinung gekommen ist.

UBTaktuell: Sie zeigen Ihren Film in Bayreuth ja nicht nur einmal am Abend, sondern präsentieren ihn auch am nächsten Tag Bayreuther Schüler:innen. Wie wichtig ist Ihnen der Austausch mit der jungen Generation? Wie ist die Rezeption des Dokumentarfilms generell unter jungen Menschen?

Mo Asumang: Im Saal ist es dann mucksmäuschenstill. Die Lehrer:innen sagen immer, das haben wir ja noch nie erlebt. Die Schüler:innen sind meist sehr bewegt, aber auch irritiert, weil sie erst mal nicht begreifen, dass man nicht ausflippt, wenn einem jemand ins Gesicht sagt „Dein Vater ist ein Gen-Entführer“, oder „Ich nehme dich mal mit in Zoo, dann siehst du, wo du herkommst“. Da kommt Fremdschämen bei den Kids auf und Neugierde, ob es wohl möglich wäre, die Reaktion auch lernen zu können. Allerdings muss man dazu sagen, dass es in den letzten ein, zwei Jahren enorm viel mehr Schüler: innen gibt, die auf rechts gepolt sind und das auch nicht verstecken. Manchmal freue ich mich sogar, wenn kleine Rassisten dasitzen und auspacken, weil ich es fast immer schaffe, am Ende eine versöhnliche Atmosphäre zu kreieren. Überhaupt: „Versöhnlichkeit“ ist das Zauberwort, damit kann man einen zweiten Anlauf starten, auch wenn der erste Versuch zu sprechen danebenging. Einen Menschen nicht aufgeben, die zweite Chance, da wissen die Kids sofort, was ich meine. Wir brauchen das allerdings deutschlandweit.

UBTaktuell: Und abschließend: Was raten Sie Menschen im Umgang mit Rassismus und Vorurteilen im Alltag? Was kann man tun, wenn man Rassismus ausgesetzt ist oder rassistisches Verhalten beobachtet?

Mo Asumang: Das Wichtigste ist zuallererst, sich selbst zu schützen. Auf die eigenen Gefühle zu achten, sie wahrzunehmen, sie nicht zu verleugnen, damit ist schon ein großer Anfang gemacht. Ich habe dafür Jahrzehnte gebraucht. Das zweite ist Allyship [solidarische Unterstützung], das bedeutet, wenn ein privilegierter Mensch einer marginalisierten Gruppe beisteht. Leider habe ich auch hier ein Negativbeispiel, ich wurde in Kassel von einem Mann in der Straßenbahn von einer Haltestelle zur anderen gewürgt, hab keine Luft mehr bekommen, und keiner hat mir geholfen. Allyship muss gelernt werden, aber davon, und noch so viel mehr möchte ich im Bayreuther Kino erzählen.

Mo Asumang besucht den Exzellenzcluster Africa Multiple vom 11. bis 12. November 2025.

Sabine Greiner

Sabine GreinerWissenschaftsjournalistin

Exzellenzcluster Africa Multiple
Universität Bayreuth
Telefon: +49 (0) 921 / 55-4795
E-Mail: sabine.greiner@uni-bayreuth.de
www.africamultiple.uni-bayreuth.de

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