
"Eines der stürmischeren Jahre"
2020 – Ihr aufreibendstes Jahr als Uni-Präsident?
Nun, wir haben an der Universität Bayreuth schon viel erlebt, auch ich als Präsident, aber 2020 war sicherlich eines der aufreibenderen Jahre. Die Herausforderung war, die durchaus als stürmisch zu bezeichnende und beeindruckende Weiterentwicklung der UBT zu steuern und parallel dazu das Corona-Management zu bewältigen. Denn andere Themen liefen ja weiter und mussten so gründlich bearbeitet werden, als gäbe es kein Pandemiegeschehen.
Was fehlte Ihnen in diesem 2020?
Am meisten habe ich die Studierenden auf dem Campus vermisst. Wir sind einfach nicht dieselbe Uni, wenn wir fast keine Präsenzveranstaltungen durchführen können und unsere jungen Leute mit ihren Aktionen wie UNIKAT, Summer Feeling und Uni Open Air fehlen. Oder wenn Events wie die Bayreuther Dialoge online only stattfinden. Vermisst habe ich auch den direkten, persönlichen Austausch mit den Kollegen und Kolleginnen.
Was waren die schönen Momente?
Ganz klar die Erkenntnis, wie gut, wie professionell und zuverlässig wir – und damit meine ich Lehrende, Forschende und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Verwaltung – die Corona-Maßnahmen umgesetzt haben: Wie wir ziemlich reibungslos auf Online-Lehre umgestellt haben und wie wir dafür auch öffentlich positiv wahrgenommen wurden. Das war wirklich ein tolles Teamwork und eine große Freude. Wichtig war für mich auch zu sehen, dass unser Konzept "Sichere Uni" funktioniert hat.
Das alles überschattende Thema: Corona. Hier die Corona-Teststation auf dem Bayreuther Unicampus mit (v.l.) Dr. Reiner Hofmann (Medizin-Campus Oberfranken und Universität Bayreuth), Monika Pizon (Ph.D.) Labor Dr. Pachmann, Universitätspräsident Prof. Dr. Stefan Leible, Kanzler Dr. Markus Zanner, Prof. Dr. mult. Eckhard Nagel (Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften) sowie Markus Ruckdeschel (Kreisgeschäftsführer des BRK).
Wir hatten die Teststation auf dem Campus, wir hatten ein ausgeklügeltes Raumkonzept, detaillierteste Hygienevorschriften, gaben bestimmten Gruppen den Vorrang bei der Präsenzlehre – und alle haben an einem Strang gezogen. Der Campus war weit davon entfernt, zu einem Hotspot zu werden, im Gegenteil: Die Infektionszahlen waren sehr niedrig. Umso bedauerlicher finde ich es, dass wir unsere "Priorität für Präsenz" nur einen Monat lang umsetzen durften und dann doch komplett auf Onlinelehre umstellen mussten. Aber sehen wir es positiv: Wir werden bestimmt im kommenden Sommersemester von unseren Erfahrungen bei der Planung des Wintersemesters profitieren.
Gab es für die Uni und ihre Entwicklung wichtige Schritte, Ereignisse und Entscheidungen?
Oh ja, eine ganze Menge: Wir haben das Institut für Entrepreneurship und Innovation gegründet. Der Tandempartner für das RIZ der Stadt ist damit schon arbeitsfähig und der entsprechende Bau auf dem Campusgelände wird bis Ende 2024 fertiggestellt sein. Die Mittel für den Afrikaforschungsbau sind genehmigt. Die Hightech Agenda Bayern ermöglicht uns die zeitnahe Besetzung von KI- und weiteren zukunftsweisenden Professuren, den zügigen Auf- und Ausbau des BayBatt und der Fakultät VII in Kulmbach. Das ist – so finde ich – eine eindrucksvolle Bilanz.
Wie wird sich das Uni-Leben dauerhaft ändern?
Unsere Universität ist durch die Corona-Pandemie und den damit entsprechenden weitgehenden Verzicht auf Präsenz quasi zwangsdigitalisiert worden. Wir werden jetzt darüber diskutieren müssen, wie "nach" Corona ein zukunftsfähiger Mix aus Präsenz- und Online-Lehre aussehen kann und soll. Eine Universität als Ort des Austausches und der Diskussion ist meines Erachtens auf Präsenz angewiesen. Sonst hätten wir auch eine Fernuni werden können. Aber wir haben in der Corona-Zeit viel über die Vor- und Nachteile der digitalen Lehre gelernt. Daher gilt es, die Chancen digitaler Lehre auch nach Corona zu realisieren und dadurch die Universitätslehre insgesamt noch besser zu machen. Wenn wir das schaffen, hätte dieses aufreibende Jahr durchaus auch positive Effekte.

