„Zeitgeschichte zielt auf die Erforschung der Vorgeschichte gegenwärtiger Problemlagen“, sagt Professor Dr. Isabel Heinemann, die im Februar 2023 von der Universität Münster nach Bayreuth gekommen ist, wo sie nun die W 3-Professur für Neueste Geschichte bekleidet. „Die Disziplin kann Orientierungswissen bereit stellen für viele Themen, die uns aktuell beschäftigen, vom Holocaust-Gedenken über den internationalen Rechtspopulismus bis #metoo.“
In Münster war sie zuvor bereits als Juniorprofessorin und Leiterin einer Emmy Noether Gruppe der DFG, dann als Professorin für Neueste Geschichte tätig. Studiert hatte Heinemann zuerst an der Universität Mainz, der Université de Bourgogne in Dijon und schließlich an der Universität Freiburg, wo sie zuerst ihren Magister-Abschluss erwarb und anschließend in Neuerer und Neuester Geschichte promovierte.
„Meine Schwerpunkte sind zum einen die Geschichte des Nationalsozialismus und Holocaust, mit einem Fokus auf der Geschichte des Rassismus und der sogenannten Germanisierungs- und Zwangsumsiedlungspolitik im besetzten Europa“, sagt Prof. Dr. Isabel Heinemann. „Mein zweites großes Thema ist die Geschichte gesellschaftlichen Wandels und insbesondere des Wandels von Geschlechternormen und Familienwerten.“ In diesem Kontext erforscht sie die Gesellschaftsgeschichte der USA, aber auch die Gendergeschichte von Bundesrepublik und DDR. „Besonders interessiert mich die Frage wie Geschlechter- und Familiennormen in den beiden unterschiedlichen Regimen im Kalten Krieg und auch nach 1989/90 das Leben der Menschen und in Sonderheit die Einstellungen der Frauen zur Demokratie prägte“, erklärt sie.
„An der Universität Bayreuth reizen mich vor allem die vielfältigen Kooperationsmöglichkeiten mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort und die damit verbundenen Gestaltungschancen – innerhalb der Facheinheit Geschichte und der Kulturwissenschaftlichen Fakultät“, betont Heinemann. „Ich freue mich darauf, mich mit dem Exzellenzcluster Africa Multiple zu vernetzen, hier bieten meine Forschungen zum Rassismus und internationalen Gesundheitsfeminismus gute Anknüpfungspunkte. Auch am Graduiertenkolleg Intersektionalität der Hans-Böckler-Stiftung an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät bin ich sehr interessiert und freue mich auch auf die Mitwirkung im neuen Netzwerk Friedens- und Konfliktforschung sowie dem BMBF-Forschungsverbund zur Gründung eines Bayrischen Zentrums für Friedens- und Konfliktforschung.“
Heinemann möchte den Lehrstuhl für Neueste Geschichte an der Universität Bayreuth zu einem regional, national und international sichtbaren Zentrum für moderne Zeitgeschichtsforschung ausbauen und ihn dazu auf die Erforschung von Gewaltdynamiken, Demokratien und Geschlechterordnungen im 20. Jahrhundert zentrieren.
Der Schwerpunkt der Lehre wird auf Kernthemen der deutschen Zeitgeschichte im internationalen Kontext liegen, also Geschichte des Nationalsozialismus und der beiden Weltkriege, Geschichte von Bundesrepublik und DDR, Geschichte der USA im 20. Jahrhundert, dazu auch Methodenübungen zur Geschlechter- und Wissensgeschichte und Forschungskolloquien, die internationale Zeitgeschichtsforscher*innen nach Bayreuth holen, aber auch Raum bieten, laufende Abschlussarbeiten der Studierenden zu diskutieren.
„In der Forschung möchte ich meine laufenden drittmittelgeförderten Forschungsprojekte - zur Humangenetik in der Bundesrepublik und zur Geschichte des Antifeminismus in der BRD - an der Universität Bayreuth weiterführen und bringe daher einen Teil meiner Arbeitsgruppe bereits mit.“ Eine erste internationale Tagung des Gerda-Henkel-geförderten Verbundprojekts „Demokratie und Geschlecht“ ist bereits für Herbst 2023 in Bayreuth avisiert. Neue Forschungskooperationen im Bereich der Geschlechtergeschichte, unter anderem mit Kolleginnen der Universitäten Marburg und Gießen zur disziplin- und epochenübergreifenden Analyse von Geschlechter- und Herrschaftsordnungen und mit den Kolleginnen vom Institut für Zeitgeschichte München zur Erforschung der Gendergeschichte der Demokratie sind bereits in Planung.
„Meine Visionen für die Zeitgeschichte am Standort Bayreuth ist eine moderne, international und interdisziplinär vernetzte, exzellente Forschung und Lehre, die sich kritisch mit der Vorgeschichte gegenwärtiger Problemlagen, also: Rassismus, Geschlechterdiskriminierung, Vertreibung und Krieg, auseinandersetzt. Die Voraussetzungen hierfür sind hervorragend, ebenso die Möglichkeiten wissenschaftlicher Kooperation, und ich freue mich sehr auf diese neue Aufgabe“, sagt Heinemann.