UBTaktuell: Wie kam es zu der Idee des Gemeinschaftsgartens?

Prof. Dr. Tina Bartelmeß: Das frühere Kaufplatz-Gelände im Zentrum Kulmbachs wurde 2022 für eine Interimsnutzung freigegeben. Es sollte so umgestaltet werden, dass es möglichst für die gesamte Bevölkerung attraktiv ist. In den Planungsprozess konnten daher zahlreiche Initiativen und auch wir am Campus in Kulmbach Ideen einbringen. Unsere Idee war ein Gemeinschaftsgarten dort zu errichten. Das ermöglicht uns, unsere Lehrinhalte im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention sowie im Bereich nachhaltiges Ernährungshandeln mit praktischen Anteilen zu ergänzen und auch im Sinne des Service-Learnings das gesellschaftliche Engagement unserer Studierenden mit fachlichen Inhalten zu verknüpfen. 

Der Gemeinschaftsgarten läuft nun das zweite Jahr. Was hat sich geändert?

Im ersten Jahr 2022 waren wir sehr mit organisatorischen Aspekten beschäftigt. Wir mussten den Garten von Grund auf neu errichten und Ausstattung wie Erde, Beete und Gerätschaften anschaffen. Wir haben einen Förderantrag bei der Adalbert-Raps-Stiftung gestellt, die uns finanziell unterstützt hat. Unsere erste Kohorte der Bachelor-Studierenden Lebensmittel- und Gesundheitswissenschaften hat im Rahmen des Moduls „Gesundheitsverhalten und Prävention“ dann die Steuerung übernommen. Die Studierenden haben eigenverantwortlich Lieferanten kontaktiert, die uns mit Erde beliefert haben und dabei bewusst Anbieter aus der Region gewählt. Sie haben die Hochbeete gekauft und aufgebaut und haben mit Spaten einen unzählige Liter Erde bei hochsommerlichen Temperaturen in die Beete verteilt. Daneben haben sie in kleineren Projektgruppen jeweils Beete themenspezifisch bepflanzt, bspw. zu herzgesunden Kräutern oder Gemüsearten, die bei der Zielgruppe Kinder sehr beliebt sind. Da wir im Sommersemester 2022 noch sehr mit dem Aufbau und der Organisation beschäftigt waren, kamen wir leider erst sehr spät dazu, die Pflanzen auszusäen und zu pflanzen.

Im Jahr 2023 konnten wir mit der neuen Kohorte der Bachelorstudierenden direkt mit dem Sommersemesterstart mit der Aussaat und Bepflanzung starten. Wir haben uns dafür zusammengetan mit den Kolleginnen Prof. Dr. Corina Vlot-Schuster (Genetik der Nutzpflanzen), Prof. Dr. Janin Henkel-Oberländer (Biochemie der Ernährung) und Prof. Dr. Susanne Baldermann (Food Metabolome), da wir in der Reflektion des Anbaus im Jahr 2022 starke Synergien festgestellt haben. Die Kolleginnen züchten in den Laboren ohnehin Pflanzen und die Studierenden belegen parallel zu dem Modul bei mir auch Seminare bei den Kolleginnen, in denen sie vor dem Hintergrund bestimmter Fragestellungen Pflanzenteile mikroskopieren und Inhaltsstoffe bestimmen. Daneben interessieren sich die Arbeitsgruppen der Kolleginnen für bestimmte Anbaubedingungen und Faktoren und deren Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum und die Pflanzenqualität. Der KulmUNIty Garden eignet sich daher hervorragend, um solche Versuche auch in der Praxis eines Gemeinschaftsgartens zu beobachten und zu untersuchen. So wurden beispielsweise Brokkoli-Pflänzchen mit und ohne Frühlingszwiebeln angebaut, um nachzuweisen ob von Zwiebeln an die Luft abgegebenen Duftstoffen den Brokkoli-Pflänzchen vor Insektenfraß schützen können. Auch wurden Tomaten mit und ohne Rosmarin angepflanzt und im Praktikum von Studierenden auf dadurch induzierten Abwehreigenschaften gegen Pflanzenkrankheiten untersucht.

Was wird alles angepflanzt?

In unseren Beeten wachsen derzeit Tomaten, Zucchini, Brokkoli, verschiedene Salate und Kräuter, verschiedene Sorten rote Beete und Zwiebelpflanzen. An Obst haben wir Erdbeeren sowie einen Blaubeerstrauch, der uns letztes Jahr am Campustag von einem Besucher gespendet wurde. Außerdem ist dieses Jahr noch eine Tomoffel, eine Hybride auf Tomate und Kartoffel, hinzugekommen. Diese war ein Geschenk der Studierenden, die sich im letzten Jahr um den Garten gekümmert haben.

Wie wird die Kulmbacher Bevölkerung integriert?

Wir kommunizieren primär über einen Instagram-Kanal (@KulmUNIty_Garden), der von den Studierenden betrieben wird. Dort und über Flyer versuchen wir derzeit Gießpaten zu gewinnen, denn die Studierenden werden in den Semesterferien größtenteils Kulmbach verlassen, um nach Hause zu fahren. Damit die Pflanzen in den Semesterferien weiterhin ausreichend versorgt werden, sind wir auf Hilfe aus der Bevölkerung angewiesen. Wenn die Studierenden meist gegen Abend die Pflanzen gießen, werden sie oftmals von interessierten Bürger*innen angesprochen. Generell ist der KulmUNIty Garden ein Gemeinschaftsgarten, wir haben immer noch Platz in den Beeten und jede*r ist herzlich eingeladen, etwas zu pflanzen. Die Ernte kann ebenfalls durch alle Interessierten erfolgen.

Was passiert mit dem geernteten Obst und Gemüse?

Da nicht alle Früchte zur gleichen zeit reif sind, wird nach und nach geerntet. Wir informieren auf Instagram, wenn Früchte reif zur Ernte sind. Daneben können permanent Kräuter geerntet werden, was von der Bevölkerung auch schon in Anspruch genommen wird. Wir würden uns sehr freuen, wenn die Ernte des Gemüses auch noch stärker von der Bevölkerung getätigt wird. Insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Kosten für Obst und Gemüse würden wir uns auch wünschen, dass mehr vulnerable Bevölkerungsgruppen von dem Angebot Gebrauch machen. 

Was haben die Studierenden davon?

Die Studierenden durchlaufen in dem Modul „Gesundheitsverhalten und Prävention“ auch den Zyklus des Projektmanagements und entwickeln eigene Gesundheitsförderungsprojekte rund um den KulmUNIty Garden. Dabei wählen sie eigenständig Zielgruppen aus und erarbeiten ein Konzept, welches sie dann auch in die Praxis umsetzen und evaluieren. Dadurch können sie die theoretischen Inhalte aus der Vorlesung in die Praxis übertragen, mit den Zielgruppen in Kontakt treten und Grundsätze der Gesundheitsförderung, wie Partizipation, Engagement und Empowerment, erproben.

Die Studierenden haben zusammengenommen jetzt schon acht Gesundheitsförderungsprojekte durchgeführt mit den unterschiedlichsten Zielgruppen: über Kindergarten- und Grundschulkinder, Geflüchteten aus der Ukraine, Realschüler*innen und internationalen Studierenden. Dabei ging es immer um ein Schwerpunktthema, wie bspw. um gesunde, regionale oder saisonale Ernährung sowie Aspekte der Integration und Akkulturation durch das gemeinsame Gärtnern.

Wieso ist das für Sie ein wichtiges Projekt?

Durch den KulmUNIty Garden tragen wir dazu bei, mitten in Kulmbach gesundheitsförderliche Lebenswelten zu erschaffen. Das ehemalige Kaufplatzgelände eignet sich hervorragend für den Garten, da dort unterschiedliche Generationen durch den Spielplatz und verschiedene Veranstaltungen der Stadt zusammenkommen. Wir haben bisher ausschließlich positive Resonanz erhalten, es gab keine Vandalismusfälle bisher und wir werden auch durch die Stadt Kulmbach, bspw. durch das Bereitstellen des Gießwassers, tatkräftig unterstützt. Es macht Spaß über den Garten mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten und auch unsere Anliegen zu einer nachhaltigen Ernährung praktisch zu vermitteln. Sowohl Kinder als auch Erwachsene schlendern durch den Garten und zupfen sich eine Blaubeere oder Erdbeere ab. Das Bewusstsein und die Wertschätzung für Lebensmittel auf diese Weise zu befördern und erlebbar zu machen, machen den KulmUNIty Garden für uns zu einem wichtigen Projekt.

Tina Bartelmeß

Prof. Dr. Tina BartelmeßInhaberin der Juniorprofessur für Ernährungssoziologie

Fakultät VII für Lebenswissenschaften: Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit
Campus in Kulmbach
Universität Bayreuth
Fritz-Hornschuch-Straße 13
D-95326 Kulmbach
Telefon: 49 (0)9221 407-1120
E-Mail: tina.bartelmess@uni-bayreuth.de
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Jennifer Opel

Jennifer OpelStellvertretende Pressesprecherin, Leitung Campusmagazin UBTaktuell

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