Von der Uni ins Museum
Die Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Bayern: Eine Zeit der Umbrüche. Dazu gestalteten Studierende der Geschichte an der Universität Bayreuth eine Sonderausstellung. Im Frühjahr lockte sie über 800 Interessierte ins Historische Museum Bayreuth, nun kann sie bald online erkundet werden.
Die Ausstellung „Leben im Umbruch: Bayern 1918-1925 zwischen Demokratie, Selbstbestimmung und Gewalt“ ist das Ergebnis intensiver Teamarbeit. Unter Leitung von PD Dr. Julia Eichenberg und Alexander Schwarz, M.A., feilten Bayreuther Studierende der Geschichtswissenschaften über zwei Semester, zunächst in einem wissenschaftlichen Proseminar, dann in einer praktischen Übung daran. Dabei boten sich wertvolle Erfahrungen für die Studierenden: „Die Zusammenarbeit mit dem Historischen Museum Bayreuth von der Konzeption der Ausstellung über Vernissage, Führungen für verschiedene Schulklassen und Finissage war für uns ein guter Blick über den universitären Tellerrand!“, findet Lorenz Herdeis, Lehramtsstudent im Fach Geschichte.
Aufgeteilt auf die Leitthemen Demokratie, Selbstbestimmung und Gewalt arbeiteten die Studierenden in Kleingruppen an verschiedenen Schwerpunktsetzungen der Ausstellung. Die Jahre 1918 und 1919 stehen in Bayern für zwei demokratische Meilensteine: Die Ausrufung des Freistaats durch den Sozialisten Kurt Eisner, der sein erster Ministerpräsident wurde, und die ersten Wahlen zum Bayerischen Landtag. Erstmals hatten Frauen in Bayern das Wahlrecht zu einem Parlament: Ein Schritt in Richtung Selbstbestimmung – und auch in anderen Lebensbereichen bekamen Frauen mehr Rechte. Eisner und seine Partei, die USPD, konnten bei diesen Wahlen allerdings gerade einmal 2,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Schon zum Rücktritt entschlossen, wurde er am 21. Februar 1919 von dem Rechtsradikalen und Antisemiten Anton Graf von Arco auf Valley ermordet. Politische Gewalt, vor allem von rechts, die in Justiz und Gesellschaft zuweilen gar Verständnis, selten aber entschlossene Gegenwehr hervorrief, prägten die Anfangsjahre der jungen Republik.
„Leben im Umbruch“, aus diesem Ausstellungstitel spricht der Anspruch der jungen Ausstellungsmacher*innen, immer wieder Brücken zu schlagen – von der politischen Geschichte in den Lebensalltag der Menschen. Im Schwerpunkt „Selbstbestimmung“ zeigt sich dies etwa an zwei Ausstellungsstücken aus dem Archiv des Deutschen Alpenvereins:
„Die Exponate, ein Sitzungsprotokoll und ein Hinweisschild zur Glorerhütte des Alpenvereins Donauland, stehen stellvertretend für die Zunahme des Antisemitismus in den 1920er Jahren. Zeitgleich geben sie auch Einblicke in die gesellschaftliche Abwehrarbeit solcher Ausgrenzungsprozesse: Auf einer Sitzung im Oktober 1919 beschließt der Deutsche und Österreichische Alpenverein, seinen Sektionen zu erlauben, jüdische Mitglieder auszuschließen. Daraufhin gründen jüdische Bergsteigende eine eigene Sektion, den Alpenverein Donauland. Sie schaffen sich mit Orten wie der Glorerhütte Zufluchts- und Schutzräume.“ Politische Dynamiken wirken stets in alle gesellschaftlichen Bereiche. Gleichzeitig bieten demokratische Strukturen Möglichkeiten ihnen entgegenzuwirken, so Alexander Schwarz – das wird in der Ausstellung begreifbar.
Die Ausstellungsgestaltung greift die Dreiteilung der Themen Demokratie, Selbstbestimmung und Gewalt auf und macht zugleich ihre enge Verflechtung sichtbar. Dafür kooperierte das Bayreuther Team mit einem Partnerseminar an der Bergischen Universität Wuppertal: Studierende der Abteilung Mediendesign und Raumgestaltung unter Leitung von Tobias Schalk, M.A., brachten ihre Kompetenzen ein und trugen maßgeblich zum Erfolg des Projekts bei. Blickfänger in der Mitte des Ausstellungsraums ist eine lebensgroße Litfaßsäule, die mit zeitgenössischen Anschlägen verschiedenen, teils politisch hochbrisanten, teils ganz alltäglichen Inhalts tapeziert ist.
Finanziert wurde dieses Projekt durch das Bundesministerium für Bildung, Technik und Raumfahrt im Rahmen des Forschungsnetzwerks ‚Deutungskämpfe im Übergang‘ zur Historischen Friedens- und Konfliktforschung. Wir hatten zwei Ziele, sagt PD Dr. Julia Eichenberg: Die Studierenden sollten in die Prozesse eines Museums hineinschnuppern können und dabei Formen der Vermittlung komplizierten Wissens erlernen, was ihnen später im Lehramt ebenso wie im Kulturbetrieb beruflich nützen wird. Zugleich sollte die Ausstellung die Arbeit unseres interdisziplinären Forschungsnetzwerkes sichtbar machen. Das große Engagement der Studierenden und das breite Interesse der Besucherinnen und Besucher, dass Forschung und Lehre hier gewinnbringend verbunden werden konnten.
„Für uns Studierende war schon die kontinuierliche, intensive Arbeit an einem Thema über zwei Semester, ganz besonders aber die Gelegenheit, das Ergebnis unserer Arbeit öffentlich zu präsentieren, eine außergewöhnliche Erfahrung. Auch die ständigen Absprachen im Team und sogar über Disziplingrenzen hinweg mit den Designstudierenden sind nicht unbedingt Alltag im Geschichtsstudium. Umso mehr freut es mich, dass hier in Bayreuth solche wertvollen Möglichkeiten geschaffen werden!“ zieht Lorenz Herdeis ein Resümee.

