Boost für die medizinische Versorgung im ländlichen Raum

Mit der Möglichkeit, in Erlangen zu studieren und in Bayreuth Teile des Studiums zu absolvieren, soll die Zahl der Medizinabsolventen im Freistaat insgesamt bis 2026 um bis zu 100 jährlich wachsen. Im Interview mit UBTaktuell erklären Prof. Dr. Hans-Rudolf Raab, Medizinischer Geschäftsführer der Klinikum Bayreuth GmbH und Alexander Mohr, Kaufmännischer Geschäftsführer der Klinikum Bayreuth GmbH, den Stand des Projekts. Doch zunächst einige Fakten zur Rolle der Univeristät Bayreuth in dem Projekt.

Der Medizincampus Oberfranken MCO

Die Universität Bayreuth ist einer der Projektpartner des Medizincampus Oberfranken (MCO). Mit diesem ermöglichen es die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), das Universitätsklinikum Erlangen, die Klinikum Bayreuth GmbH und die Universität Bayreuth jungen Menschen, eine Ausbildung zur Ärztin oder zum Arzt in dem neuen Studiengang „Humanmedizin Erlangen-Nürnberg/Bayreuth“ zu absolvieren.

Die Leitung des Studienganges liegt bei der Medizinischen Fakultät der FAU, wo auch die vorklinische Ausbildung stattfindet. Für den klinischen Studienabschnitt wechseln die Studierenden nach Bayreuth. Am Bayreuther Klinikum werden 30 klinische Professuren und eine Vielzahl von Stellen für Lehre und Forschung eingerichtet, um die universitäre Ausbildung zu gewährleisten.

  • Im Wintersemester 2019/20 haben die ersten Teilnehmer des Studiengangs „Humanmedizin Erlangen-Nürnberg/Bayreuth“ ihre Ausbildung begonnen.
  • Im Frühjahr 2022 wechseln diese nach Bayreuth.
  • Im Jahr 2026 wird der Studiengang voll ausgebaut sein.
  • Er umfasst dann rund 600 angehende Ärztinnen und Ärzte, davon über 400 in Oberfranken.

Ergänzende medizinnahe, nicht unmittelbar klinische Professuren der Universität Bayreuth in den Schwerpunktbereichen Public Health, Digital Healthcare und Molekulare Biosysteme erweitern die bestehenden Forschungsschwerpunkte der beteiligten Universitäten. Sie schärfen das Profil des MCO und tragen über Kooperationen mit etablierten und neuen Partner*innen dazu bei, sowohl natur- und technologiewissenschaftliche Grundlagen und Anwendungen als auch innovative Modelle der medizinischen Versorgung insbesondere im ländlichen Raum zu beforschen. Dazu erstreckt sich das wachsende Netzwerk des MCO auch auf regionale Lehr- und Forschungspraxen, ihre Mitarbeiter*innen und Patient*innen.

Diese attraktive Zusammenarbeit bietet besondere Chancen, die ärztliche Tätigkeit außerhalb von Ballungsräumen zu fokussieren, die Ärzteausbildung zu regionalisieren und einen direkten Nutzen für Patient*innen aus Oberfranken und weit darüber hinaus zu liefern.Zentrale Auftrag der Universität Bayreuth ist es zudem, die Studierenden der Humanmedizin in den universitären Lebensalltag zu integrieren und ihnen interdisziplinäre Perspektiven aufzuzeigen.

Es ist eine spannende Aufgabe und Möglichkeit für die Universitätsstadt Bayreuth, weiteren jungen Leuten eine neue Heimat zu bieten, die eventuell auch eine Lebensperspektive für die Zeit nach Abschluss des Studiums eröffnet. Dies stärkt die gesamte Region und langfristig sicher auch die ärztliche Versorgung vor Ort.

Interview mit den Klinik-Geschäftsführern

Der Medizincampus Oberfranken MCO hat viele Partner. Wer (Praxen etc.) ist neben UBT, FAU und KB GmbH noch mit im Boot und warum?

Prof. Dr. Hans-Rudolf Raab, Medizinischer Geschäftsführer der Klinikum Bayreuth GmbH: Die Errichtung des Medizincampus Oberfranken geht auf eine Initiative der Bayerischen Staatsregierung zurück. Ziel ist eine Stärkung der gesamten Region Oberfranken, speziell durch die bessere Versorgung mit Ärzten. Am Klinikum Bayreuth kann zukünftig der klinische Teil des Medizinstudiums, also die letzten 4 Jahre, absolviert werden. Die Vorklinik findet in den ersten beiden Jahren in Erlangen statt. In Bayreuth entstehen am Medizincampus Oberfranken 100 zusätzliche Medizinstudienplätze für den Freistaat Bayern. Somit ist das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst federführend beteiligt. Für die Allgemeinmedizin, die einen wichtigen Teil des Studiums darstellt, wird ein Netzwerk aus speziell geschulten Lehrpraxen gebildet. Dort können die Studierenden dann schon früh wichtige praktische Erfahrungen sammeln. Diese Kooperation ist einzigartig in Bayern.

Welche positiven Effekte erwarten Sie davon – für das Klinikum und für die Region, für Oberfranken?

Alexander Mohr, Kaufmännischer Geschäftsführer der Klinikum Bayreuth GmbH: Die positiven Effekte sind vielfältig und bereits jetzt spürbar. Am Klinikum Bayreuth entsteht gerade ein Multifunktionsgebäude, das mehrere Millionen Euro in den regionalen Wirtschaftskreislauf bringt. Weitere infrastrukturelle Maßnahmen müssen und werden folgen. Um den Betrieb des Medizincampus gewährleisten zu können, werden mehr als 150 Arbeitsplätze entstehen. Dass in der Endausbaustufe 400 weitere Studierende die Stadt wirtschaftlich und sicher auch kulturell beleben werden, steht außer Frage. Und wenn es gelingt, einen Teil dieser Studierenden für die Region zu begeistern und ihnen eine neue Heimat zu geben, ist ein wichtiges strukturpolitisches Ziel erreicht, nämlich dem Ärztemangel in der ländlich geprägten Region zu begegnen.

Wann und mit welcher Tätigkeit oder Aufgabe starten die ersten FAU-Studierenden in Bayreuth?

Raab: Die Studierenden absolvieren bereits im Rahmen der vorklinischen Ausbildung zwei Praktika an der Klinikum Bayreuth GmbH. Im 2. Fachsemester steht eine Berufsfelderkundung und im 4. Fachsemester die Einführung in die Klinische Medizin an. Der Ortswechsel von Erlangen nach Bayreuth findet zum fünften Semester statt, wenn das Physikum in Erlangen bestanden wurde. Dies bedeutet konkret, im Jahr 2022 werden die ersten Studierenden dauerhaft nach Bayreuth kommen. Dann beginnt der klinische Teil ihres Studiums am Medizincampus Oberfranken. Lehrveranstaltungen in Fachgebieten, für die in Bayreuth während der Aufbauphase noch Patienten oder fachbezogene Infrastruktur fehlen, werden vorübergehend weiter in Erlangen durchgeführt. Zu Beginn des klinischen Studienabschnittes handelt es sich zum großen Anteil um Vorlesungen, Seminare und Übungen, teilweise auch schon mit Patienten, die sich hierfür freiwillig zur Verfügung stellen. Je weiter das Studium voranschreitet, desto mehr kommen Praktika und Unterricht am Patientenbett hinzu.

Was genau soll und muss im Klinikum neu geschaffen werden, um das Medizinstudium dort zu ermöglichen?

Mohr: Schon seit fast 40 Jahren hat die Klinikum Bayreuth GmbH bzw. die vor ihrer Gründung rechtlich eigenständigen Standorte Klinikum und Hohe Warte Erfahrung als Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Fakultät der FAU und bildet PJ-Studierende aus Erlangen und auch aus anderen Universitätsstandorten aus, unter anderem in den Fächern Chirurgie, Innere Medizin, Gynäkologie/Geburtshilfe, Neurologie, Pädiatrie und Strahlentherapie. Zukünftig findet dann im Klinikum und in der Hohen Warte auch das klinische Studium statt. Dazu muss der Krankenhausbetrieb zukünftig auch auf universitäre Bedürfnissen für Forschung und Lehre eingestellt werden. Dies erfordert etliche Anpassungen, z.B. die Schaffung personeller, räumlicher sowie infrastruktureller Ressourcen und anderes mehr.

Wo sind die Schnittstellen zur Universität Bayreuth?

Raab: Die Beteiligung der Universität Bayreuth erfolgt insbesondere im Bereich der Forschung. Hierfür wurden vom Freistaat Bayern insgesamt 10 nicht klinische aber medizinnahe sogenannte Profilprofessuren zugesagt. Für deren Unterbringung und wissenschaftliche Aktivitäten soll ein neues Forschungsgebäude auf dem Campus der Universität entstehen. Die Profilprofessuren werden einerseits die wissenschaftlichen Schwerpunkte der Universität Bayreuth stärken und erweitern, u.a. in den Bereichen Public Health, Digital Healthcare und Molekulare Biosysteme. Andererseits werden sie auch ein sehr wichtiges Bindeglied zum akademischen klinischen Bereich sein, um die Forschung am MCO in das attraktive neue Forschungsumfeld einzubetten, und die Möglichkeiten zu translationaler Forschung* und Grundlagenforschung zu verbessern. Hierzu ist auch eine gemeinsame Forschungsplattform geplant. Die Universität Bayreuth bietet im Rahmen des MCO auf diese Weise auch exzellente Möglichkeiten für Promotionen und Habilitationen.

Welche nächsten Schritte stehen nun an?

Mohr: Derzeit wird ein endgültiger Kooperationsvertrag der am Gesamtprojekt beteiligten Partner ausgearbeitet, woran auch die Universität Bayreuth beteiligt ist. In Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät der FAU wird gleichzeitig ein detailliertes Curriculum für das klinische Studium erarbeitet. Weitere Teilprojekte beschäftigen sich mit Detailplanungen zum Infrastrukturbedarf für die Lehre, mit der Struktur- und Entwicklungsplanung der zu besetzenden Klinischen Professuren am MCO sowie mit der Bedarfsplanung für ärztlich-wissenschaftliches sowie nicht-wissenschaftliches Personal. Außerdem wird der Rohbau des Multifunktionsgebäudes am Klinikum Bayreuth* bald fertiggestellt sein. Wenn es die Corona-Lage erlaubt, soll dann ein feierliches Richtfest stattfinden.

*„Translationale Medizin“ oder „translationale Forschung“ verbindet die beiden Bereiche der Medizin: Erkenntnisse aus der Praxis finden Eingang in die Forschung und Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung fließen in die Patientenversorgung.

**Unser Bild zeigt das im Bau befindliche multifunktionale Gebäude, das bis zur Fertigstellung der Campus-Gebäude für Forschung und Lehre sowie als Bürofläche zur Verfügung stehen wird. Foto: Klinikum Bayreuth GmbH/Mai 2021

Reiner Hofmann

Dr. rer. pol. Reiner HofmannMedizincampus Oberfranken - Leiter der Projektgeschäftsstelle der Universität Bayreuth

Prieserstraße 2
D-95444 Bayreuth

Tel.: +49 (0) 921 554 880
www.mco.uni-bayreuth.de

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