Warum der Sport mehr an Nachhaltigkeit denken muss
Prof. Dr. Susanne Tittlbach und Prof. Dr. Manuel Steinbauer (beide Bayreuther Zentrum für Sportwissenschaft - BaySpo) haben ein Sonderheft zum Thema „Sustainable development in sport and physical activity – perspectives and challenges“ herausgegeben. Veröffentlich wurde dies im German Journal of Exercise and Sport Research. Ebenfalls als Gast-Editorin beteiligt war Julia Lohmann der Uni Augsburg. In UBT aktuell berichten sie über die Entstehung.
UBTaktuell: Sie haben kürzlich ein Sonderheft zur nachhaltigen Entwicklung im Sport veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Prof. Dr. Manuel Steinbauer: Es liegt auf der Hand den Sport so zu gestalten, dass er nicht nebenbei unsere Lebensgrundlage zerstört. Die nachhaltige Entwicklung im Sport ist daher ein wichtiges Thema, welches uns dauerhaft begleiten wird. Forschungsergebnisse als Sonderheft zu bündeln schafft dafür Aufmerksamkeit und Impulse für weitere Forschung und praktische Vorhaben. Es ist aber auch eine Möglichkeit sich auszutauschen. Wenn wir in unseren Kursen und Seminaren an der Uni Bayreuth über das Thema diskutieren wird schnell ersichtlich, dass wir den zukunftsfähigen Sport nur gemeinsam schaffen können. Den Weg dahin stimmen wir in den täglichen Diskussionen aber auch über den Austausch im Sonderheft immer wieder neu ab.
Welche neuen Einblicke gibt das Sonderheft auf die nachhaltige Entwicklung im Sport?
Prof. Dr. Susanne Tittlbach: Das Sonderheft möchte neue und vernetzte Einblicke in ein vielschichtiges, gesellschaftlich relevantes Thema geben. Die Idee des Sonderhefts war es, verschiedene Aspekte und Fragestellungen einer nachhaltigen Entwicklung im Kontext von Sport und Bewegung aus unterschiedlichen Blickwinkeln aufzugreifen und dabei die Herausforderungen und Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen.
Bei einer Analyse von Sport und Bewegung vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen Verständnisses von nachhaltiger Entwicklung müssen ökologische, soziale und ökonomische Aspekte berücksichtigt werden. Beziehungen zwischen Sport und Bewegung, Gesellschaft und Umwelt sind bidirektional und beinhalten komplexe Wechselwirkungen. Sport und Bewegung können daher sowohl als Teil des Problems als auch Teil der Lösung für Fragen der nachhaltigen Entwicklung betrachtet werden.
Das Sonderheft greift vor dem Hintergrund der UN-Charta 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) die verschiedenen Chancen und Herausforderungen auf: So werden Sport und Bewegung im Kontext des Klimawandels (SDG 13), der planetarischen Gesundheit (SDG 3) als auch von Bildung (SDG 4) als ein wichtiges Mittel zur Erreichung weiterer SDGs, beleuchtet. Welche Rolle dem organisierten Sport und informellen sportlichen Aktivitäten als ein Motor für Bildungs- und Entwicklungsprozesse im Bereich der Nachhaltigkeit (z.B. Umweltbewusstsein, SDGs 13, 14 und 15, oder nachhaltiger Konsum von Lebensmitteln, SDGs 2 und 12) zukommt, ist ebenso Teil des Sonderheftes, wie das schnell wachsende Forschungsfeld der aktiven Mobilität (SDG 3, 11 und 13).
Sport und Bewegung werden in Bezug auf Nachhaltigkeit mit Herausforderungen und Chancen belegt. Welche Chancen hin zu mehr Nachhaltigkeit bieten Sport und Bewegung?
Tittlbach: Sport und Bewegung, insbesondere der organisierte Sport mit seinen Trainings- und Wettkampfstrukturen, prägen gesellschaftliche Strukturen und tragen zu den ökologischen und sozialen Krisen mit bei, mit denen wir heute konfrontiert sind: Klimawandel, Verlust der Biodiversität, Ausbeutung, Migration - um nur einige zu nennen. Sport und Bewegung können jedoch ebenso einen wichtigen Beitrag zur Erreichung globaler Nachhaltigkeitsziele leisten und damit zu planetarer Gesundheit, die sich auf die Gesundheit der Bevölkerung und des Planeten bezieht. Um einige Beispiele zu nennen: Sport und Bewegung kann zum Erhalt und der Wiederherstellung von Gesundheit, z.B. zur Reduktion der Gesamtsterblichkeit, aber durch aktive Mobilität auch Verringerung von Straßenverkehrsunfällen und Emissionen, ebenso beitragen, wie zur Ausbildung von Gesundheitskompetenz durch einen qualitativ hochwertigen Sportunterricht als auch durch eine sinnvolle Bewegungsinfrastruktur in Städten und Gemeinden, die durch Bewegungsräume in der Natur als auch Fuß- und Radverkehrsnetze zur Bewegungsförderung und Förderung des Wohlbefindens beitragen. In den letzten Jahren stellt die Forschung zu aktiver Mobilität, also das aktive Zurücklegen von notwendigen Wegstrecken (z.B. Arbeits- und Schulwege), einen wichtigen im Bereich der Nachhaltigkeitsforschung dar. Auch am BaySpo haben wir hierzu einen Forschungsschwerpunkt aufgebaut, der zeigt, dass sowohl Gesundheits- als auch Umwelteffekte erzielbar sind und bei der Anlage von Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur wichtige Determinanten zu bedenken sind, damit möglichst viele Menschen ihre Alltagswege aktiv zurücklegen können.
Wieso sehen Sie die Notwendigkeit, die Gesellschaft darauf aufmerksam zu machen, dass auch im Sport nachhaltig gedacht werden muss?
Steinbauer: Sport wirkt jung und modern, hat aber hinsichtlich der notwendigen Entwicklung zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft keine Vorreiterrolle. Viele andere Bereiche sind schon deutlich weiter darin z.B. Auswirkungen auf unsere Umwelt zu berücksichtigen und veraltete Strukturen zu verbessern. Gleichzeitig gibt es viele Menschen, gerade auch Sportlerinnen und Sportler, welche das ändern wollen und voranschreiten. Wir müssen daher nicht mehr unbedingt auf die Notwendigkeit aufmerksam machen, sondern das „wie“ gemeinsam diskutieren und umsetzen.
Viele Probleme sind institutionell. Aber was kann der/die Einzelne tun, um im Sport einen nachhaltigen Weg zu gehen?
Steinbauer: Die Veränderung ist Teamwork. Diesen Weg gehen wir nicht alleine, sondern gemeinsam. Die größte Wirkung wird entfaltet, wenn wir die angesprochenen institutionellen Probleme und veraltete Denkmuster besprechen und Schritt für Schritt zusammen einen zukunftsfähigen Sport in einer nachhaltigen Gesellschaft schaffen.
Die (Sport-)Welt entwickelt sich schnell weiter. Ist schon ein nächstes Sonderheft in Planung?
Steinbauer und Tittlbach: Die Notwendigkeit den Sport nachhaltiger zu gestalten, wird uns dauerhaft begleiten. Wir sind daher überzeugt, dass es mittelfristig auch in der Sportwissenschaft keine Sonderhefte dazu benötigt, sondern fester Bestandteil aller Forschungs- und Entwicklungsprozesse wird. Unter Leitung von Prof. Dr. Peter Kuhn, ebenfalls vom BaySpo der Universität Bayreuth, und Dr. Julia Lohmann von der Universität Augsburg, die das aktuelle Sonderheft federführend mit uns betreut hat, ist bereits das nächste Buch zum Thema in Arbeit!