Mit dem 1. Oktober sind Sie die neue Vizepräsidentin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs an der Universität Bayreuth. Was genau ist Ihre Aufgabe?
Im Bereich Forschung ist meine Aufgabe, die Forschungsstrategie unserer Universität weiter zu entwickeln und umzusetzen. An oberster Stelle steht dabei, für alle WissenschaftlerInnen unserer vielfältigen Disziplinen das jeweils optimale Umfeld zu schaffen, ihre Forschung erfolgreich zu gestalten. Gleichzeitig ist es wichtig, die Sichtbarkeit des Forschungsstandorts Bayreuth national und international weiter auszubauen. Hier verzahnen sich meine beiden Aufgabenfelder Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs. Neben attraktiven Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten sind es vor allem spannende Forschungsthemen, die junge Menschen an die Universität Bayreuth bringen.
Viele Einzelmaßnahmen zu meinen Aufgabenfeldern sind in unserem Struktur- und Entwicklungsplan bereits definiert. Aber es stellen sich natürlich auch stets neue Herausforderungen, wie die geplante Reform der Hochschulen, das weitere Wachstum der Universität Bayreuth in den nächsten Jahren, 2025 das „Entwachsen“ der Universität Bayreuth aus der Reihe der „jungen Universität“ oder natürlich 2026 die nächste Runde der Exzellenzstrategie.
Unterstützung zur Umsetzung aller anstehenden Themen erhalte ich durch zwei Stabsstellen mit insgesamt acht MitarbeiterInnen. Die Stabsstelle Forschungsförderung berät zu Förderprogrammen und Forschungsdatenmanagement, unterstützt bei Beantragung von Verbundprojekten sowie Anträgen und Nominierungen für Forschungspreise und verwaltet den internen Förderpool der Universität Bayreuth. Die Stabsstelle WiN (wissenschaftlicher Nachwuchs) unterstützt WissenschaftlerInnen von der Promotion bis zur Juniorprofessur in ihrer individuellen Karriereentwicklung und bietet verschiedene Förder- und Beratungsmöglichkeiten im Rahmen z.B. der Bayreuth Graduate School und des WiN Programms.
Zudem bin ich als Mitglied der Hochschulleitung in zahlreichen Gremien wie Senat und Hochschulrat und sitze der Präsidialkommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, der Präsidialkommission für wissenschaftliche Personalentwicklung, sowie der Arbeitsgemeinschaft zur Umsetzung des DFG Kodex „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ vor.
… und ich vermute, es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Aufgaben, die mir bisher noch nicht verraten wurden!
Welche Aktivitäten stehen bei Ihnen in den ersten Wochen ganz oben auf der Agenda?
… wenn ich so in meinen Terminkalender gucke, wohl vor allem Sitzungen... Neben den regulären Sitzungsterminen stehen gerade jetzt am Anfang natürlich viele persönliche Gespräche an, einerseits mit meinen Stabsstellen-Teams, andererseits möchte ich aber auch von den Fakultäten, den Profilfeldern und den verschiedenen Beschäftigtengruppen zu den Themen Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs Feedback bekommen: Wo stehen sie, wo wollen sie hin und wie kann ich sie als Vizepräsidentin am besten unterstützen? Diese Informationen sind mir ein ganz wichtiger Baustein für meine künftige Agenda. Daneben laufen, auch wenn das noch weit hin scheint, die Planungen für die Exzellenstrategie bereits jetzt sehr konkret an.
Welche Akzente möchten Sie während Ihrer Amtszeit setzen?
Neben allen laufenden Maßnahmen, unter denen einige sind, die sicherlich einen Großteil meiner Zeit und Aufmerksamkeit erfordern werden, möchte ich mich besonders für drei weitere Bereiche einsetzen.
Erstens, für den wissenschaftlichen Nachwuchs, dessen Karrierewege in Deutschland immer noch sehr heterogen und oft wenig planbar sind. Von den vom BMBF definierten Zielen zur Förderung junger Wissenschaftler haben wir meiner Meinung nach in Bayreuth bereits einiges erreicht hinsichtlich internationaler Wettbewerbsfähigkeit und Mobilität sowie Schaffung von Bedingungen zur Erbringung wissenschaftlicher Leistungen von hoher Qualität. Mit Nachdruck verfolgen müssen wir künftig auch die Themen Chancengerechtigkeit, Steigerung der Attraktivität und Transparenz wissenschaftlicher Karrierewege, und vor allem auch die Verbesserung der Übergänge von der Phase der wissenschaftlichen Qualifizierung in Berufe in Wirtschaft und Gesellschaft.
Zweitens, für die dauerhaft an unserer Universität Forschenden. Wir stehen als Forschende individuell aber auch als Universität insgesamt stets unter einem gewissen Druck, gesetzte Ziele zu erreichen, was sich häufig auch in quantitativen Erfassungen und Evaluierungen niederschlägt. Diese sind gewiss hilfreich, um immer wieder einmal Erreichtes zu würdigen sowie Status-Quo und Entwicklungsbedarf zu identifizieren. Dennoch bin ich überzeugt, dass kreative Forschungsideen auch Zeit und Muße brauchen. Neben allen Unterstützungsangeboten, die wir für immer noch mehr Anträge machen können, braucht es vor allem eins: Freiraum. Unsere Lehrverpflichtungen sind im internationalen Vergleich sehr hoch, wir haben und kreieren immer mehr Verwaltungsaufgaben und vielleicht übertreiben wir es manchmal auch mit der x.ten „Evaluierung der Evaluierung“. Ich möchte gerne in den nächsten Jahren neue Wege suchen, unseren vielfältigen Aufgaben gerecht zu werden, aber immer auch genug Zeit und Raum für unseren freien Forschergeist zu finden.
Drittens, für einen künftig noch stärkeren Fokus auf eine nachhaltige Verwendung von Fördermitteln. Die Möglichkeit zu forschen, ist Privileg und gleichzeitig große Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Wir sollten Synergien bestmöglich nutzen, Ergebnisse zu erreichen, die dem Auftrag der Hochschulen gerecht werden und Forschungs“erfolg“ nicht unbedingt immer gleichsetzen mit der maximalen Summe an aufgewendeten Euros.
Was zeichnet Ihrer Meinung nach die UBT als attraktiven Forschungsstandort aus?
Größe und Konzept. Bereits mit der Gründung wurde das Konzept verfolgt, neben der klassischen Einteilung in Disziplinen und Fakultäten fächerübergreifende Forschungsschwerpunkte zu definieren. Diese haben ganz entscheidend dazu beigetragen, exzellente Forscher an die Uni Bayreuth zu bringen, zu vernetzen und unsere kleine, junge Universität international sichtbar zu machen. Attraktive, interdisziplinäre Studiengänge haben stets dazu beigetragen, hochqualifizierte Nachwuchswissenschaftler zu gewinnen. Viele der Forschungsschwerpunkte sind seit Jahrzehnten renommiert. Auch mit der Gründung der neuen Fakultät 7 Lebenswissenschaften in Kulmbach wurde dieses Konzept der interdisziplinären Verknüpfung von Natur-, Wirtschafts-, Rechts-, Sozial- und Verhaltenswissenschaften in einer in Deutschland bislang einzigartigen Weise umgesetzt.
Nun sind wir bald 50 Jahre alt und auch nicht mehr so ganz klein. Die Neubesetzung zahlreicher weiterer Professuren aus der High Tech Agenda wird uns in den nächsten Jahren einen weiteren starken Zuwachs bringen. Auch wenn unsere Campus-Uni immer größeren Herausforderungen hinsichtlich der räumlichen Unterbringung gegenübersteht, haben wir dennoch zumeist immer noch kurze Wege und viele Möglichkeiten zum spontanen Austausch. Die neuen KollegInnen in bestehende Forschungsschwerpunkte zu integrieren, gemeinsam neue Forschungsschwerpunkte zu definieren, die die Fragen der Zeit und unserer Gesellschaft adressieren, wird ganz entscheidend dazu beitragen, die Uni Bayreuth weiterhin als attraktiven Forschungsstandort zu (er)leben. Neben den großen Forschungsschwerpunkten sind es aber auch die spannenden Projekte und das Renommee über internationale Kooperationen, Publikationen, Auszeichnungen vieler einzelner kreativer Köpfe, die zur Attraktivität unserer Universität beitragen.
Die formalen Regeln des Exzellenzwettbewerbs stehen fest. Die aktuelle Clusterförderung läuft noch bis zum Jahr 2025, dann sind Evaluationen fällig und Neuanträge möglich. Welche Strategie sehen Sie hier für die UBT?
Unser Ziel muss ganz klar ein Ausbau unserer internationalen Spitzenstellung in der Forschung auf Basis erfolgreicher Exzellenzcluster sein, d.h. die Bewerbung in der Förderlinie „Exzellenzuniversitäten“. Wir sind groß genug und wir sind auch gut genug dafür. Das setzt voraus, dass wir zwei, bzw. als Universitätsverbünde mindestens drei Exzellenzcluster einwerben. Neben dem derzeit geförderten Exzellenzcluster in der Afrikaforschung haben wir eine Reihe weiterer international wettbewerbsfähige Forschungsfelder. Auch diese entsprechend aufzustellen, mit anderen Universitäten strategisch zu vernetzen, um im Verbund erfolgreich in Cluster-Anträgen zu sein, ist die jetzt vor uns liegende Aufgabe. Der Freistaat Bayern fördert ab 2021 im Rahmen des Programms „Exzellenzverbünde und Universitätskooperationen“ (EVUK) zwei Anträge mit Bayreuther Beteiligung „Function by Design: Cellular Hybrids“ zum Thema Biomaterialien im Verbund mit den Universitäten Würzburg und Erlangen sowie „Auswirkungen des globalen Wandels auf Biodiversität und Ökosystemfunktionen“ im Verbund mit der Universität Würzburg. Hiermit soll frühzeitig die Bildung von Synergien unterstützt werden, um die Chancen auf eine erfolgreiche Bewerbung um Exzellenzcluster zu erhöhen.
Ein Blick in Ihre Vita zeigt verschiedene Stationen im Ausland: u.a. England, Bangladesch, USA, Mexiko und Kanada. Warum bewusst diese Stationen? Und welche Erfahrungen mit Blick auf internationale Forschungstätigkeit waren für Sie besonders prägend?
Tatsächlich sehr unterschiedliche Gründe für die unterschiedlichen Stationen: In Mexiko war ich für meine Masterarbeit. Da stand einfach im Vordergrund, in „irgendein“ Ausland zu gehen, je exotischer desto besser. Zudem hat mich das gestellte Thema „Trinkwasserkontamination durch Arsen“ fasziniert. Die Faszination für Arsen ist, wie vermutlich inzwischen am Campus bekannt, mir bis heute erhalten geblieben. Das prominenteste Beispiel von Arsen-Kontamination im Grundwasser ist Bangladesch, daher hat mich mein erstes eigenes DFG Projekt unmittelbar nach der Promotion dorthin geführt. Sowohl in Mexiko als auch in Bangladesch habe ich viel darüber gelernt, dass ein am Schreibtisch entwickelter „perfekter“ Forschungsplan in der Umsetzung einiges an Improvisations- und Kommunikationsgeschick erfordert und vor allem einen offenen Geist unerwarteten Ergebnissen gegenüber. USA zur Promotion, England und Kanada zur Postdoc-Zeit habe ich gezielt ausgewählt aufgrund der fachlichen Expertise der Gastgeber und praktischen Möglichkeiten in den jeweiligen Laboren. USA zusätzlich, da dort mein Feldstandort, der Yellowstone National Park, war. Und 2 Jahre in Kanada zu bleiben, war auch eine strategische Entscheidung, da diese Zeit der Auslandserfahrung die Voraussetzung für die Bewerbung um eine DFG Emmy Noether Nachwuchsgruppe war. Inzwischen haben sich viele weitere Länder auf die Liste meiner internationalen Forschungstätigkeit gereiht und jedes hat seine eigenen Herausforderungen und Reize. Aber es ist immer wieder erstaunlich, wie einfach und nahezu selbstverständlich es im wissenschaftlichen Bereich ist, weltweit hervorragend ausgewiesene, engagierte und inspirierende Kooperationspartner zu finden, die man bei Projektarbeiten oder auf Konferenzen immer wieder trifft – viele von ihnen sind inzwischen auch privat gute Freunde geworden.
Sie sind neben Ihrer Forschungstätigkeit an der UBT auch Studiengangkoordinatorin für den internationalen Master „Environmental Chemistry“. Welche Schwerpunkte setzen Sie hier für die Ausbildung der jungen Menschen aus aller Welt? Für welche Karrieren möchten Sie konkret vorbereiten und warum?
In meinen Augen ist dieser Studiengang ein gutes Beispiel für das, was Bayreuth auszeichnet. Wir haben den Studiengang innerhalb kürzester Zeit aus einem der etablierten Bayreuther Forschungsschwerpunkte (Ökologie und Umweltwissenschaften) heraus entwickelt. Maßgeblich war die Begeisterung einer Handvoll KollegInnen, die sich bereits aus Forschungsprojekten und der gemeinsamen Lehre im deutschsprachigen Studiengang Geoökologie sehr gut kannten, ergänzt durch eine neu eingeworbene Heisenberg Professur. Gemeinsam bilden wir jetzt im Studiengang eine Bandbreite der Umweltchemie ab, die in dieser Form recht einzigartig ist. Wir vermitteln Wissen in den Bereichen anorganische und organische Chemie, Mikrobiologie, Toxikologie, Umweltsystemanalysen und Mensch-Umwelt-Interaktionen, um zu verstehen, wie Kontaminationen in Luft, Boden und Wasser Ökosysteme weltweit beeinflussen. Viele unserer Studierender kommen aus Ländern, in denen Umweltschutz bislang keinen hohen Stellenwert hat. Ihre Erfahrungen mit zu integrieren, z.B. im Symposium “Global Environmental Challenges”, ist ein ganz wertvoller Baustein dieses internationalen Programms. Die Karrieremöglichkeiten sind vielfältig, einige Studierende kehren in ihre Heimatländer zurück und besetzen dort mit ihrem Fachwissen um Umweltprobleme und deren Lösungen leitende Stellen in der Industrie oder dem öffentlichen Sektor. Überraschend viele Studierende haben sich bisher auch dafür entschieden, eine Promotion anzuschliessen, in Deutschland oder anderen Ländern Europas; einige von ihnen konnten wir auch für unsere eigenen Arbeitsgruppen gewinnen – ein besonders schöner Erfolg.
Was geben Sie jungen Nachwuchswissenschaftler*innen mit auf den Weg?
(Hoffentlich) Begeisterung und Neugier. Natürlich füllen wir die Köpfe unserer jungen Nachwuchswissenschaftler mit viel wissenschaftlicher Theorie und Praxis, daneben noch Softskills wie Kommunikation, Präsentation, Management, etc., um sie fit für die von Ihnen gewählte Karriere zu machen. In meinen Augen ist aber das Wichtigste, das wir vermitteln können, stets offen und neugierig zu bleiben und die Dinge, die einem am Herzen liegen, mit Begeisterung anzupacken, sei es in Berufen im akademischen Bereich, in der Wirtschaft, in der Gesellschaft oder im Leben ganz allgemein.