Rechenpower für die Wissenschaft
Der Betrieb des Hochleistungsrechners "Festus" startet an der Universität Bayreuth. Er wird insbesondere für rechenintensive Forschungsprojekte zur elektronischen Struktur und Dynamik, Produkt- und Prozessoptimierung sowie zur KI-gestützten Analyse medizinischer Daten genutzt.
Seit August befindet sich der neue Hochleistungsrechner "Festus" vom BZHPC (Bayreuth Centre for High Performance Computing, Bayreuther Forschungszentrum für wissenschaftliches Rechnen) in der Testphase. Das durch die DFG geförderte Cluster wurde nach den Bedürfnissen der 40 Mitglieder des BZHPC von Mitarbeitern des ITS konzeptioniert und gebaut. Wir haben die Beteiligten zu diesem spannenden Projekt befragt:
"Der neue Cluster wird uns z.B. die Simulation der Energie- und Elektronen-Transferprozesse ermöglichen, die in lichtsammelnden Systemen, z.B. in der Photosynthese oder Photokatalyse, eine Rolle spielen", sagt Prof. Kümmel.
Was waren die Hauptgründe für die Beschaffung eines neuen HPC-Clusters?
René Meißner, IT Service der Uni Bayreuth: Der Bedarf an Rechenleistung an der Universität Bayreuth ist stark gestiegen. Computer-gestützte Methoden sind kein Nischenthema mehr und werden in allen Fachbereichen genutzt. Dies hat zu einem steigenden Bedarf geführt, den die bisherigen Systeme nicht mehr decken konnten.
Welche neuen Möglichkeiten und Kapazitäten bietet das neue HPC-Cluster im Vergleich zum alten System?
René Meißner: Das neue Cluster bietet zusätzliche und schnellere Rechenressourcen. Bei einigen Anwendungen ist "Festus" doppelt so schnell pro Core. Es bietet mehr Speicherkapazität und Ausfallsicherheit. Zudem spart "Festus" Energie, indem ungenutzte Teile abgeschaltet werden. Diese Vorteile kommen den Nutzenden und der Universität zugute. Weitere Verbesserungen wie topologie-sensitives Scheduling* sind möglich: Topologie-sensitives Scheduling optimiert die Aufgabenverteilung in einem HPC-System, indem es die physische und logische Anordnung der Recheneinheiten berücksichtigt.
Wer hat Zugang zum HPC-Cluster und welche Voraussetzungen müssen Nutzende erfüllen?
René Meißner: Das HPC-Cluster soll ab Mitte Januar allen Universitätsangehörigen zur Verfügung stehen. Angehörige der Lehrstühle, die an der Beschaffung beteiligt waren, werden bei der Auftragsverarbeitung bevorzugt.
Was ist die Besonderheit des BZHPC und wie können Forschende, die nicht bei der Antragstellung beteiligt waren, den Rechner mitnutzen?
Prof. Dr. Stephan Kümmel, Theoretische Physik IV - Elektronische Struktur und Dynamik: Die Besonderheit des BZHPC ist, dass in diesem Zentrum Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über die Grenzen von Lehrstühlen, Fachgruppen und Fakultäten hinweg gemeinsam Forschungsgroßgeräte beschaffen und nutzen. So werden Synergien gehoben und vorhandene Ressourcen im Sinne der Nachhaltigkeit optimal genutzt. Von diesem Engagement profitieren zudem alle Forschenden der UBT, denn die Rechnersysteme können innerhalb eines Priorisierungssystems von allen genutzt werden.
Welche Ziele sollen mit dem neuen HPC-Cluster in der Quantenmechanik erreicht werden?
Prof. Dr. Stephan Kümmel: Meine Arbeitsgruppe forscht im Bereich der Vielteilchen-Quantenmechanik. Der neue Cluster wird uns z.B. die Simulation der Energie- und Elektronen-Transferprozesse ermöglichen, die in lichtsammelnden Systemen, z.B. in der Photosynthese oder Photokatalyse, eine Rolle spielen. So hoffen wir, einen Beitrag zur Entwicklung neuer Materialien für eine nachhaltigere Energieversorgung zu leisten.
"Dank 'Festus' können wir einerseits größere (und damit realistischere) Simulationszellen betrachten und andererseits diese mit genaueren (und daher rechnerisch aufwendigeren) Methoden behandeln", sagt Prof. Oberhofer.
Warum ist Computing ein wichtiges Instrument für die Materialphysik?
Prof. Dr. Harald Oberhofer, Theoretische Physik VII - Computergestütztes Materialdesign: Wir arbeiten auf dem Gebiet der theoretischen Materialphysik, hauptsächlich am Verständnis von Ladungstransportprozessen in organischen und anorganischen Energiematerialien, und dem Design neuer Materialien. Dazu simulieren wir auf mikroskopischer Ebene die Einflüsse auf den Transport basierend auf sogenannter elektronischer Dichtefunktionaltheorie. Diese bedarf der numerischen Lösung komplexer Integrodifferenzialgleichungen was für die von uns betrachteten Materialien nur auf Hochleistungsrechnern möglich ist. Dank "Festus" können wir einerseits größere (und damit realistischere) Simulationszellen betrachten und andererseits diese mit genaueren (und daher rechnerisch aufwendigeren) Methoden behandeln.
Welchen Beitrag kann "Festus" für Ihr Arbeitsfeld in der theoretischen Physik leisten?
Prof. Dr. Michael Wilczek, Theoretische Physik I: Zusammen mit meiner Gruppe erforsche ich verschiedene komplexe Systeme. Turbulenz ist dabei ein zentrales Thema. So untersuchen wir einerseits grundlegende Eigenschaften von turbulenten Strömungen, andererseits aber auch beispielsweise die Dynamik von Regentröpfchen in Wolken oder von Plankton im Ozean. Computersimulationen spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie helfen uns Phänomene besser zu verstehen und liefern Daten für weitergehende Analysen. Simulationen sind gewissermaßen unsere computergestützten Experimente. Mit dem neuen Cluster "Festus" haben wir die Möglichkeit, unsere Simulationen quasi im eigenen Hause durchzuführen. Das hat gleich mehrere Vorteile: Zum einen können wir ohne lange Wartezeiten Ergebnisse erhalten und somit auch schnell neue Ideen für unsere Forschung entwickeln. Zum anderen haben wir einen direkten Draht zu den kompetenten Ansprechpartnern aus dem ITS, die uns bei unserer Arbeit unterstützen und "Festus" auf unsere Bedürfnisse abstimmen können. "Festus" ergänzt damit auf komplementäre Art und Weise überregionale Rechenzeitressourcen, die wir auch für unsere Arbeit nutzen.
Prof. Vlot-Schuster nutzt "Festus" zur schnelleren Identifikation von genetischen Merkmalen in RNA-Sequenzen, die das Pflanzenwachstum unter Stress und Krankheitsdruck fördern.
Welche Rolle kann "Festus" in der Forschung zur Genetik spielen?
Prof. Dr. Corina Vlot-Schuster, Genetik der Nutzpflanzen: Unser Team an der Professur für Genetik der Nutzpflanzen erforscht die molekularen Grundlagen der Krankheitsabwehr in Pflanzen. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf dem sogenannten Priming. Dieser Prozess wird beispielsweise durch eine lokale Infektion eines Blattes ausgelöst und führt zu einem erhöhten Schutz der gesamten Pflanze gegen eine Vielzahl von Krankheitserregern. Die genetischen Merkmale, die das Priming unterstützen, könnten genutzt werden, um den Pflanzenschutz zu verbessern und die Pflanzen an zukünftige Klimabedingungen anzupassen. Für unsere Forschung verwenden wir RNA-Sequenzierungsdaten, um die Genexpression über das gesamte Genom der Pflanze hinweg zu analysieren. Kürzlich haben wir zudem eine Hochdurchsatz-Imaging-Anwendung im Gewächshaus am Campus Kulmbach installiert. Diese Anwendung erfasst automatisch wichtige Wachstumsparameter der Pflanzen, wie Höhe, Grünfärbung, projizierte Blattfläche und die daraus abgeleitete digitale Biomasse. Dies ermöglicht es uns, die digitalen Bilddaten zu analysieren und die Genexpression aus den RNA-Sequenzierungsdaten mit den Pflanzenphänotypen zu korrelieren. Dadurch können wir genetische Merkmale, die das Pflanzenwachstum unter Stress und Krankheitsdruck fördern, schneller identifizieren.

