Verschollenes Original ist aufgetaucht
Mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrer Entstehung ist Dr. Karl Würzburgers autobiografische Schrift „Ein Jud – was ist das?“ nun erstmals im Original greifbar. Die bewegende Rückschau eines jüdischen Heimkehrers ins Bayreuth der Nachkriegszeit entfaltet durch handschriftliche Ergänzungen und persönliche Spuren eine neue, tief berührende Authentizität.
1974 schrieb Dr. Karl Würzburger (1891-1978) die autobiografische Schrift „Ein Jud – was ist das? Notizen eines Betroffenen“. Würzburger war im Jahr 1936 aus Bayreuth in die Schweiz geflohen und 1947 zurückgekehrt. In diesem Band beschreibt er seine Erfahrungen als jüdischer Heimkehrer in das Bayreuth der Nachkriegszeit. Würzburger machte sich bereits vor 1933 einen Namen als Rundfunkpionier (Programmleiter der Deutschen Welle) und wurde als Schriftsteller, Erzieher und Leiter des Kulturamtes sowie der Volkshochschule ein bedeutender Sohn der Stadt Bayreuth.
Sein Nachlass wurde 1994 an die Universitätsbibliothek übergeben und gelangte im März 2019 ins Universitätsarchiv. Doch der Text „Ein Jud – was ist das?“ lag nur als Xerokopie vor. Bis vor kurzem.
Dr. Rainer-Maria Kiel, ehemaliger wissenschaftlicher Bibliothekar an der Universität Bayreuth, hat im Mai 2025 eine kommentierte Fassung des Textes herausgegeben. Kiel gilt als größter Kenner Karl Würzburgers, hatte aber bei der Bearbeitung des Textes nie das Original in den Händen. Dieses fand sich überraschenderweise bei einer Enkelin Würzburgers, die es dann über Kiel bereitwillig dem Universitätsarchiv zur Nachlassergänzung überließ.
„Dass wir nun doch das ursprüngliche Handexemplar in unseren Beständen haben, ist für uns unheimlich spannend“, sagt Dr. Lisa Witowski, Leiterin des Archivs an der Universität Bayreuth. „Das beginnt schon beim Deckblatt, welches im Original ganz anders aussieht. Dort ist zum Beispiel vermerkt, dass es mehrere Fassungen des Textes gab.“ Zudem unterscheidet sich das Original durch Unterstreichungen des Autors und handschriftliche Ergänzungen, die den Entstehungsprozess aufzeigen. „Die damaligen Bearbeitungsmühen werden erlebbar und man erspürt die Nähe zum Autor“, erklärt Witowski.
Der Text, der sich inhaltlich mit der Herkunft und Geschichte von Würzburgers jüdischen Vorfahren und deren Ausgrenzung und Verfolgung beschäftigt, sowie seine Erinnerungen an die Kindheit und Jugend in Bayreuth aufgreift, ist nun als „Handexemplar“ nach vorheriger Anmeldung im Universitätsarchiv einsehbar. Die Edition von Dr. Kiel kann über den Historischen Verein für Oberfranken und über die Buchhandlung am Kircheneck bezogen werden.


