„Allein der Aufklärung und der Wahrheit verpflichtet“

Der zweijährlich vergebene Sepp-Daxenberger-Preis der bayerischen GRÜNEN geht 2021 an den Bayreuther Wissenschaftler Dr. Stefan Holzheu. Der Geoökologe hat aufgedeckt, dass die Berechnung der Infraschall-Belastung durch Windkraftanlagen fehlerhaft und viel zu hoch ist – und damit eines der wichtigsten Argumente gegen Windkraft abgeräumt. UBTaktuell hat mit ihm über seinen wissenschaftlichen Antrieb gesprochen. 

Wie würden Sie sich selbst vorstellen: Als Sepp-Daxenberger- Preisträger? Als David gegen Goliath? Als „ganz normaler“ wissbegieriger Forscher?
Als ganz normaler wissbegieriger Forscher.  :-)

Warum?
Wissenschaft ist für mich unser wichtigstes Werkzeug, in einer komplexen vernetzten Welt die besten Entscheidungen zu finden. Unabdingbar sind dazu korrekte naturwissenschaftliche Fakten.

Sie haben mit Ihren Forschungen aufgedeckt, dass die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sich bei der Belastung durch Infraschall um mehrere Kommastellen verrechnet hatte. Wollen Sie uns das kurz schildern? Wie kamen Sie darauf, dass die BGR sich vertan hatte?
Auf Fehler stößt man oft zufällig. Das Schöne an der Wissenschaft ist: Alles muss sich in ein konsistentes Gesamtbild fügen. Wenn etwas offensichtlich nicht passt, dann liegt meist ein Fehler vor. Genau das war das Problem bei der Arbeit der Bundesanstalt. Die Infraschallpegel waren um einen Faktor 1000-10000 höher als das, was alle anderen Institutionen publiziert hatten.

Wo ist er Zusammenhang zu Ihrer Forschung and der UBT?
Einer unserer Arbeitsschwerpunkte in der BayCEER IT ist die Sensordatenerfassung. Dazu bauen wir auch eigene Messgeräte. Komponenten dieser Systeme habe ich genutzt, um ein eigenes Infraschallmessgerät zu entwickeln. Denn am besten versteht man eine Thematik, wenn man eigene Messergebnisse hat.

Was ist Infraschall eigentlich?
Infraschall ist wie normaler Schall nichts anderes als eine Luftdruckschwankung. Bei Infraschall ist die Frequenz dieser Schwankungen besonders langsam. Üblicherweise bezeichnet man alles kleiner als 20 Schwingungen pro Sekunde als Infraschall. Infraschall gibt es übrigens nicht erst, seit Windenergieanlagen gebaut werden. Die mit Abstand größte Infraschallquelle ist der ganz normale Wind.

Als Sie die Fehler aufdeckten, wurden Sie zunächst abgewiesen, nicht ernst genommen – haben Sie jetzt einen anderen Blick auf die Fehlerkultur in der Wissenschaft?
Nein. Ich denke, die überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler*innen arbeitet vollkommen seriös und würde so einen Fehler sofort korrigieren. Gefährlich wird es jedoch, wenn wirtschaftliche oder politische Interessen die Wissenschaft beeinflussen. Ob das hier relevant war oder ob der Fehler dem BGR-Mitarbeiter einfach zu peinlich war, mag ich nicht beurteilen.

Wie ist diese Kultur bei uns an der UBT?
Wie gesagt, ich glaube unsere Universitäten und Forschungseinrichtungen in Deutschland sind wunderbare Orte der freien Wissenschaft, die allein der Aufklärung und der Wahrheit verpflichtet sind. Ein Blick in andere autokratisch regierte Länder sollte uns bewusstmachen, welch hohes Gut dies ist. Im Leitbild der UBT steht das Schlagwort "Third Mission". Genau darunter verorte ich meine Arbeit. Zum Thema Infraschall und Windenergie wurde von Anti-Windkraftgruppen systematisch Desinfromation verbreitet. Ich habe eine Webseite aufgebaut, die diese Desinformation thematisiert und zur wissenschaftlichen Diskussion einlädt. Windkraftgegner haben mehrmals versucht über E-Mails, Anwaltsschreiben oder Beschwerden bei der Universitätsleitung, diese Webseite vom Netz zu nehmen. Ich möchte mich deshalb bei der BayCEER- und Universitätsleitung bedanken, dass sie sich immer hinter meine Arbeit gestellt und diese Angriffe zurückgewiesen haben. Inzwischen ist gut bekannt, dass in vielen Bereichen unter dem Deckmantel der Wissenschaft interessengeleitete Desinformation verbreitet wird. Dagegen sollte sich die seriöse Wissenschaft laut und deutlich wehren. Ich habe das beim Thema Infraschall und Windenergie gemacht und ich bin froh, dass dies von der UBT so mitgetragen wurde.

Über den Sepp Daxenberger Preis:

Unter dem Motto „Verändern, um zu bewahren“ verleihen die bayerischen GRÜNEN alle zwei Jahre den Sepp-Daxenberger-Preis. Mit dem Preis erinnert die Partei an die Person und das Wirken des Grünen-Politikers Sepp Daxenberger, der im August 2010 an einer Krebserkrankung verstorben ist. Mit dem Preis werden Organisationen oder Einzelpersonen ausgezeichnet, „die sich für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und die Bewahrung unserer gesellschaftlichen Werte einsetzen“.

Dr. Stefan Holzheu

Dr. Stefan HolzheuBayreuth Center of Ecology and Environmental Research (BayCEER) BayCEER IT

Universität Bayreuth
D-95440 Bayreuth
E-Mail: stefan.holzheu@uni-bayreuth.de
Tel.: +49-921-555720
www.bayceer.uni-bayreuth.de

Webmaster: Team UBTaktuell