Rechtzeitig zum Ende des Erinnerungsjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ geht eine Website online, die virtuelle Einblicke in das jüdische Leben in Bayreuth gibt. Entwickelt wurde sie von Studierenden der Universität Bayreuth gemeinsam mit dem Historiker Adrian Roßner und Felix Gothart, dem Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Bayreuth. Wir sprachen mit Roßner über die Entstehung der Website, die Aufarbeitung jüdischer Geschichte in der Region und Berührungsängste.

Die Karte zeigt, wo das jüdische Leben in Bayreuth stattfindet und stattfand.

Warum eine Website, kein Flyer oder Heft?
Adrian Roßner: Uns war von Beginn an klar, dass „Shalom, Bayreuth!“ interaktiv sein muss, um die Vielfalt des jüdischen Lebens und der jüdischen Kultur in Bayreuth darstellen und eine Art Info-Netz über die Stadt legen zu können. Darüber hinaus sollte die Plattform einfach um weitere Inhalte ergänzt werden und so immer auf dem aktuellen Stand gehalten werden können. Beides wäre bei gedruckten Medien schwieriger zu realisieren. Zuletzt war die Entscheidung auch eine ganz pragmatische: Die Studierenden, die ehrenamtlich am Projekt mitgearbeitet haben, haben mein Seminar „digitale Medien im Unterricht“ besucht und waren daher schon voll im Thema.

Wie war die Resonanz der Studierenden?
Die Resonanz hat mich wirklich absolut positiv überrascht! Fast der komplette Kurs des Sommersemesters hat sich dazu bereit erklärt, das Erlernte direkt in der Praxis auszuprobieren. Selbst bei den Arbeiten vor Ort, für die wir uns manches Mal an Wochenenden oder Abenden trafen, standen alle sofort bereit. Dieses Engagement hat mich am allermeisten gefreut!

Adrian Roßner hat das Projekt geleitet.

Wie kam Herr Gothart, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Bayreuth, mit ins Boot?

Felix Gothart war von Beginn an im Planungsausschuss, der „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ für Bayreuth gestaltet hat. Ich stieß dann ein wenig später dazu und nachdem klar war, dass wir „Shalom, Bayreuth!“ umsetzen wollen, hat Herr Gothart sofort angeboten, uns bei inhaltlichen Fragen unter die Arme zu greifen. Seine Antworten waren am Ende derart informativ, dass sie oft direkt in die einzelnen Stationen eingebunden werden konnten, was die Authentizität natürlich immens steigert. Wir sprechen also nicht über jüdische Kultur, sondern lassen sie uns von ExpertInnen, erläutern. Auch Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold kommt dabei zu Wort und lässt die Besucher der Website an seinem umfangreichen Wissen zu jüdischer Geschichte in Oberfranken teilhaben.

Die Macher*innen der Seite: v.l. Christian Seyferth-Zapf (DigiLLab), die Studentinnen Lea Mahn und Anna Euskirchen, Adrian Roßner und Felix Gothart (r.) beim Kickoff mit Uni-Präsident Stefan Leible (am Pult) und OB Thomas Ebersberger (2.v.r)

Gab es Berührungsängste seitens der Studierenden – z.B. beim Filmen in einem „Kirchenraum“ oder auf einem Friedhof?

Ich kann mich noch sehr gut an eine kleine Episode erinnern: Als der erste Dreh am Friedhof anstand, schrieb mich zwei Tage vorher ein Student an und fragte, ob wir uns vor Ort Kippas ausleihen könnten oder ob eine einfache Kopfbedeckung reichen würde, um der jüdischen Tradition zu entsprechen. Das zeigte mir, dass sich die Gruppe intensiv mit der Thematik beschäftigt hatte, und so herrschte auch bei den Arbeiten vor Ort ein respektvoller, aber stets offener Umgang. Genau diese Offenheit wollen wir durch das Projekt auch unterstützen: Besuche auf dem jüdischen Friedhof sind mit Blick auf die Wahrung der Totenruhe eher schwierig; nun kann man ihn sich aber wenigstens virtuell anschauen und erfährt nebenbei noch einiges zu jüdischen Bestattungszeremonien und der Grabkultur.

Spielte auch eine Rolle, dass sich Studierende als „Urenkel von Tätern“ empfanden?
Nein, eine solche Wahrnehmung herrschte nicht vor. Es ging im Projekt auch weniger um eine Fokussierung auf die menschenverachtende Zeit des Nationalsozialismus und der damit einhergehenden, grausamen Shoah, sondern darum, die jüdische Kultur als über Jahrhunderte in der Gesellschaft verankert vorzustellen. Was ich allerdings sehr spannend fand, war die Möglichkeit, die eigene kulturabhängige Betrachtung zu hinterfragen. Insbesondere die Gespräche mit Herrn Gothart zeigten doch, dass auch die persönliche Wahrnehmung oftmals durch eine gewisse Brille erfolgt und in den meisten Fällen nicht der Realität entspricht.

Blick auf den jüdischen Friedhof

Gibt es in den Touristeninfos, im Schulunterricht in Bayreuth, in der VHS etwas Vergleichbares?
Bayreuth ist, was die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte betrifft, wirklich sehr gut aufgestellt: Es gibt Gästeführungen, einen Flyer in der Touristinfo und auch viele verschiedene inhaltliche Angebote wie beispielsweise eine tolle Ausstellung des Stadtmuseums. Mit der Website können wir dieses Netzwerk um einen weiteren Mosaikstein ergänzen.

Was ist als nächstes geplant?
„Shalom, Bayreuth!“ soll stetig weiter wachsen: Derzeit können wir den Besucher*innen virtuelle Touren durch die Synagoge und über den Friedhof ebenso anbieten, wie die Betrachtung historischer Entwicklungen und auch die Biographien von Einzelpersonen. Das sind quasi die Eckpfeiler des erwähnten Netzes, die nun jedoch mit immer feineren Fäden verbunden werden sollen. Es werden Biographien berühmter Bayreuther Personen jüdischen Glaubens und auch weitere historische Kapitel - etwa zum jüdischen Leben während des NS-Regimes - dazukommen. Als einer der nächsten Meilensteine sollen zudem virtuelle „Stolpersteine“ ausgelegt werden, um an jene Menschen zu erinnern, die brutal aus der Gesellschaft gerissen wurden. Auch Kooperationen mit Wissenschaftler*innen und Studierenden, die Arbeiten zu passenden Themenbereichen angefertigt haben, sind vorstellbar. Die Anwendung wird also immer weiter ausgebaut und wenngleich der derzeitige Stand ein guter Einstieg in die jüdische Geschichte Bayreuths ist, sind wir mit dem Projekt noch lange nicht am Ende.

Porträt Adrian Rossner

Dr. Adrian RoßnerProjektkoordinator

Mail: adrian.rossner@uni-bayreuth.de

Tel.: +49 (0)921/55-7776

Anja-Maria Meister

Anja-Maria MeisterPressesprecherin der Universität Bayreuth

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