In einem Interview mit dem Gateway Office Melbourne der Universität Bayreuth spricht Prof. Dr. Kerstin Steiner über die Ergebnisse der Summer School. Steiner forscht und lebt seit vielen Jahren in Melbourne, kommt aber ursprünglich aus Deutschland, wo sie auch ihr Jurastudium absolvierte.

„Für die Summer School im Jahr 2019 hatten wir das Thema "Regionale Rechtsansätze". Und Bernd [Kannowski] war in der Lage, eine Gruppe von Akademiker*innen zusammenzustellen, die im Grunde alle fünf Kontinente abdeckten. Wir hatten also Experten, die Europa, Südamerika, Australien und Afrika vertraten, und ich war für Asien zuständig. Das ist also ein äußerst einzigartiger Ansatz, und ich muss ihm und der Universität Bayreuth dazu gratulieren, dass sie uns alle zusammengebracht haben und in der Lage waren, einerseits einen extrem breit gefächerten geografischen Ansatz zu bieten, andererseits aber auch, da wir alle Experten für die Kontinente oder Regionen oder Länder waren, über die wir diskutierten, uns die Möglichkeit gaben, eine fantastische, tiefgehende Erfahrung darüber zu vermitteln, wie Menschenrechtsfragen in diesen Kontinenten aussehen.“

Prof. Steiner erläutert den theoretischen Rahmen des Buches und erklärt, warum die Menschenrechte - obwohl sie universell sind - auch in ihrem jeweiligen regionalen Kontext untersucht werden müssen. Im Mittelpunkt des Bandes steht "eine der größten Herausforderungen der Menschenrechte heutzutage: Sind sie international oder müssen sie kulturell verankert sein?

„Einerseits orientieren sie sich an den internationalen Menschenrechten, andererseits versuchen sie aber auch, diese mit einem kulturrelativistischen Ansatz zu versehen. Denn eine der größten Herausforderungen, mit denen die Menschenrechte heutzutage immer noch konfrontiert sind, ist die große Frage: Sind sie international oder müssen sie kulturell verankert sein und als solches wahrgenommen werden? Es ging also darum, diese Frage aufzugreifen und sich mit den Regionen und den regionalen Ansätzen zu befassen, die im Grunde der Vermittler zwischen der internationalen Menschenrechtsarena, auf der einen Seite, und dem nationalen Forum sind.“

Prof. Dr. Steiners Beitrag konzentriert sich auf Malaysia als Fallstudie für die verschiedenen Rollen, die religiöse Gesetze - im Fall von Malaysia das islamische Recht - für Menschenrechtsansätze bedeuten.

„Wir befinden uns inmitten eines massiven Diskurses über die Religionsfreiheit in den internationalen Menschenrechten. Denn auf der einen Seite haben wir unsere Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte usw., und dort gibt es eine bestimmte Vorstellung davon, wie Religionsfreiheit aussehen sollte. Abgesehen davon steht diese spezielle Bestimmung "Religionsfreiheit" von Anfang an im Mittelpunkt zur Debatte. Um es ganz klar zu sagen, war die Frage: Was bedeutet Religionsfreiheit? Ist man frei, seine Religion zu verlassen? Und das ist der springende Punkt, wenn es darum geht, den Islam zu betrachten, denn die internationalen Menschenrechte waren anfangs sehr vage, und ich glaube, sie waren absichtlich vage in der Frage, ob die Freiheit, seine Religion zu verlassen, von der Religionsfreiheit mit inbegriffen ist. Das hat sich geändert, da mehr und mehr externes Material zur Verfügung steht und vor allem spezielle Repertoires für die Religionsfreiheit, die sehr deutlich machen, dass die Freiheit, die eigene Religion zu verlassen, von der Religionsfreiheit mit inbegriffen ist. Allerdings haben die Länder mit muslimischer Mehrheit oder die Länder, in denen der Islam eine große Rolle spielt, von Anfang an die Hand gehoben und gesagt: ‚Wir haben ein Problem mit diesem Konzept‘, und das spricht direkt die Debatte zwischen Universalismus der Menschenrechte und Kulturalismus der Menschenrechte an. Das Problem liegt für sie in der Konzeptualisierung des islamischen Rechts und der Annahme, dass das islamische Recht oder die Scharia es nicht zulässt, dass man seine Religion verlässt.“

Steiner spricht im Interview auch über die Problematik beim Versuch aus dem Islam auszutreten. Anders als in Deutschland, wo man recht einfach beantragen kann, dass man keiner Religion angehören möchte, gibt es im islamischen Recht verschiedene Schwierigkeiten.

„Das ist eine sehr spezifische Auffassung des islamischen Rechts, die nicht von allen geteilt wird und die überall auf der Welt massive Probleme verursacht. Es ist also auch ein Problem, wie das in einem nationalen Kontext umgesetzt werden soll. Ein Beispiel dafür ist Malaysia, eines meiner Lieblingsländer, in dem ich studiert habe und in dem ich natürlich auch lebte: Es ist extrem schwierig, weil das islamische Recht eine staatliche Angelegenheit ist. […] In einigen Staaten kann man den Islam verlassen, dort gibt es vielleicht ein bürokratisches Verfahren, bei dem man sich an die Scharia-Gerichte oder an eine andere bürokratische Organisation wenden und sagen muss: ‚Ich möchte den Islam verlassen‘. Sie könnten ja oder nein sagen, man weiß es nie, das Ergebnis ist nie sicher. Andererseits gibt es Staaten, in denen man, wenn man es versucht, den Islam zu verlassen, in ein Rehabilitationszentrum geschickt wird, ins Gefängnis kommt oder eine Geldstrafe zahlen muss, und irgendwann gab es auch Versuche, den hudud (Hadd-Strafe) einzuführen - das ist eine besondere Form des islamischen Strafrechts, nach der zum Beispiel Menschen, die den Islam verlassen wollen, die abtrünnig werden wollen, die Todesstrafe droht. Ich muss sagen, dass dies in Malaysia nicht umgesetzt wird; es kann unter dem derzeitigen Regime, unter dem derzeitigen gesetzlichen Rahmen usw. nicht umgesetzt werden. Aber es hat immer wieder Versuche in verschiedenen Ländern der Welt gegeben, diese spezielle Art von islamischem Strafrecht einzuführen. Wie Sie also sehen, gibt es ein massives Problem zwischen der internationalen Konzeptualisierung und dem, was auf nationaler Ebene geschieht.“

Die Ergebnisse der International Summer School, sind im Nomos-Verlag erschienen. Das Buch kann regulär mit der ISBN:978-3-8487-7646-7 gekauft werden oder in der Uni-Bibliothek ausgeliehen werden.

Jennifer Opel

Jennifer OpelStellvertretende Pressesprecherin, Leitung Campusmagazin UBTaktuell

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