Afrika in Bayreuth – eine komplizierte Geschichte
Die Spuren afrikanischer Präsenz in Bayreuth reichen bis in die Barockzeit zurück. Die Universität Bayreuth - genauer ihr Institut für Fränkische Landesgeschichte und die Professur für die Geschichte Afrikas - beleuchtet dies in einem breit aufgestellten öffentlichen Workshop.
Insbesondere im Licht der aktuellen Diskussionen um Apotheken-Namen oder Faschingsgesellschaften, aber auch im Zusammenhang mit der Diskussion um die Erinnerungskultur in Bayreuth, treffen die Protagonisten damit einen Nerv. Der Workshop schreibt sich in verschiedenen Forschungsrichtungen ein: zum einen in die facettenreiche Geschichte der heutigen Region Oberfranken und deren Verflechtungen mit anderen kulturellen Räumen; zum anderen in den aktuellen Forschungsdiskurs, in dem in den letzten Jahren intensiv über transkulturelle und postmigrantische Gemeinschaften sowie ihre Ein- und Auswirkungen auf die Erinnerungskultur in Deutschland bezüglich der Kolonialvergangenheit diskutiert wurde.
Wir haben mit den Organisatoren des Workshops gesprochen.
Was war der Anlass für diese Tagung? Wie kamen Sie auf die Idee?
Ibrahima Sene: „Ein aktueller Anlass war die verstärkte Debatte über die postkoloniale Erinnerungskultur in Deutschland mit der Offenlegung postkolonialer und rassistischer Denk- und Gesellschaftsstrukturen in der Gegenwart. Die koloniale Vergangenheit Deutschlands und die historisch asymmetrischen Beziehungen zwischen dem Globalen Norden und Süden werden heute auch in Kommunen wie Bayreuth diskutiert – und das zu Recht.“
Welche Rolle spiel(t)en aktuelle Debatten wie die um die Namensgebung der Mohren-Apotheke?
Marcus Mühlnikel: „Die Diskussionen verengen sich manchmal lediglich auf die Frage, ob Einrichtungen ihre Namen ändern sollten (vgl. Mohren-Apotheke) oder ob bauliche Denkmäler – wegen vermeintlich kolonialistischen Darstellungen (vgl. Markgrafenbrunnen) – in dieser Form stehen bleiben sollten. Dabei schwingt auch die Frage mit, ob sich bestimmte Gruppen unserer Gesellschaft durch bestimmte Traditionen in ihrer Würde verletzt sehen. Der Workshop möchte diese Fragen aufgreifen und neue Akzente für diese Diskussionen setzen. Mit unserer Tagung zielen wir außerdem darauf ab, die Komplexität der (Kolonial-)Geschichte darzustellen, auch mit Blick auf verschiedene Afrikarezeptionen. Und nicht zuletzt möchten wir auf konkrete Beziehungen zwischen dem oberfränkischen Raum und afrikanischen Regionen hinweisen.“
Unter welchen Aspekten wurde das Programm kuratiert?
Ibrahima Sene: „Die akademischen Disziplinen der Geschichte Afrikas und der Landesgeschichte haben ganz unterschiedliche Zugänge zum und Fragen an das Thema. Wir sind Experten für Fachgebiete, die sich hier berühren und sehr fruchtbar in Beziehung gesetzt werden können. Das öffnet wiederum den Blick für neue Fragestellungen. Die Vorträge spiegeln unseren Ansatz wider. Beispielsweise kommen die Vortragenden aus unterschiedlichen Forschungsdisziplinen, welche sich jedoch alle im Rahmenthema „Afrika im Bayreuther Alltag“ begegnen. Daneben berichten Akteure aus Politik, Wirtschaft und Kirche über aktuelle Berührungspunkte.“
An wen wendet sich die Veranstaltung?
Marcus Mühlnikel: „Die Veranstaltung behandelt eine öffentliche Problematik. Sie richtet sich daher an die breite Bayreuther Stadtgesellschaft, an die Angehörige der Universität Bayreuth und die interessierte Öffentlichkeit. Der Veranstaltungsort ist das Iwalewa-Haus, im Herzen der Stadt Bayreuth. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.“
Wie lange reicht die Verbindung Bayreuths zu Afrika zurück
Marcus Mühlnikel: „Wir haben klare Belege für die Präsenz von Menschen aus Afrika während der Barockzeit. So befinden sich z. B. neben den „Cammertürken“ auch „Cammermohren“ im fürstlichen Hofstaat des Markgrafen Friedrich (1711-1763), wie diese für uns heute sehr befremdlich klingenden Bezeichnungen in den Hofkalendern beweisen. Ein Vortrag wird sich auch explizit mit dieser frühen Phase beschäftigen.“
Wie kann man diese Verbindung in drei Sätzen beschreiben?
Ibrahima Sene: „Es wird davon ausgegangen, dass sich diese Menschen am fürstlichen Hof befanden, weil sie der höfischen Gesellschaft ein „exotisches“ Flair verliehen. Sie dienten wohl auch als Statussymbole und exotische Prestigeobjekte für die Fürsten. Dies beinhaltet nicht allein eine Exotisierung, sondern auch eine Rassifizierung dieser Menschen.“
Inwiefern hat sich der Afrika-Begriff in Bayreuth gewandelt, bzw. müsste er sich in Ihren Augen wandeln?
Marcus Mühlnikel: „Ein weiteres Ziel der Tagung ist es, die Vorstellungen von Afrika weiter auszudifferenzieren. So wird beispielsweise häufig pauschalisiert, wenn über „Afrika“ gesprochen wird. Jedoch sollten wir nicht vergessen, dass afrikanische Kontinent um ein Vielfaches größer ist als Europa und aus über 50 souveränen Staaten besteht, mit jeweils eigener Geschichte und kulturellen Hintergründen. Mittlerweile finden erfreulicherweise viele Veranstaltungen und Diskussionen in Bayreuth zu diesem Thema statt, die verschiedenen Perspektiven einbeziehen (Stadtverwaltung, Universität, Vereine usw.).“