Im Landkreis Lichtenfels findet in diesem Sommer die Neuauflage der regionalen Summer School „Nachhaltigkeit und Digitalisierung“ gleich an zwei Terminen statt: vom 24. August bis 4. September in Lichtenfels und vom 28. August bis zum 8. September 2023 dürfen sich die 15- bis 20-Jährigen auf spannende Projekte freuen. Am Ende der zehn Tage erhalten die Teilnehmer*innen ein Zertifikat von der Universität Bayreuth. Die ersten fünf stolzen Schülerinnen und Schülern sowie Auszubildenden erhielten im vergangenen Jahr ihre Urkunde vom Lichtenfelser Landrat Christian Meißner überreicht. Der Pilot war ein voller Erfolg. 

UBTaktuell: Nachhaltigkeit und Digitalisierung – wie kam Ihnen die Idee zur Summer School?

Prof. Brink: Die Universität Bayreuth hat sich in den letzten Jahren verstärkt um das Thema Nachhaltigkeit gekümmert und dabei ihr Profil geschärft. Sie hat 2022 erstmals am THE-Nachhaltigkeitsranking teilgenommen und erreichte auf Anhieb Platz 3 unter den im Ranking gelisteten deutschen Universitäten. In diesem Ranking ist die Universität weltweit unter den Top 10 Prozent in der Kategorie Innovation (SDG 9) klassifiziert. Auch in der Kategorie „Bildung“ (SDG 4) erzielt die Universität Bayreuth sehr gute Ergebnisse. Hier zählt sie zu den weltweit besten 20 Prozent der Hochschulen. Im Verzahnungsbereich von „Philosophy & Economics“ leisten wir seit über 20 Jahren einen Beitrag für eine sozialökologisch orientierte Wirtschaft, indem wir das Spannungsfeld zwischen Philosophie und Ökonomie in Forschung, Lehre und Transfer vertreten. Unsere Studierenden engagieren sich darüber hinaus über die bayreuther dialoge und tragen die Themen in eine breitere Öffentlichkeit. Mit dem Zusatzstudium Nachhaltigkeit und dem Projekt You4Impact Social Entrepreneurship wurden weitere Meilensteine gelegt. Green Campus bündelt darüber hinaus alle Nachhaltigkeitsaktivitäten. Die Universität Bayreuth hat sogar eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Da ist einiges in Bewegung auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Die digitale Transformation stellt diese Entwicklung nun vor neue Herausforderungen. Wir sprechen von der Zwillingstransformation aus Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

Können Sie uns ein Beispiel geben, wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammenhängen?

Die beiden Themen sind in der Tat eng miteinander verbunden. Betrachten wir in der ökologischen Säule der Nachhaltigkeit etwa den CO2-Ausstoß – hier gibt es verstärkende und abmildernde Effekte. Zum einen trägt eine zunehmende Digitalisierung zum Klimaschutz bei, z.B. durch Effizienzsteigerungen, zum anderen verbraucht sie aber selbst viel Energie und hat damit über den eigenen Ressourcenverbrauch einen negativen Effekt auf das Klima. Die Zwillingstransformation beschreibt genau diese kombinierte Entwicklung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Wir sehen in der Zwillingstransformation einen besonderen Bildungsauftrag. In unserer 2010 aus Philosophy & Economics heraus gegründeten Unternehmensberatung concern beraten wir darüber hinaus nicht nur Unternehmen, sondern auch die Politik auf Länder- und Bundesebene. Gemeinsam mit meinem Kollegen Dr. Frank Esselmann, Experte für digitalethische Fragestellungen und Regionalmanagement, haben wir uns an dieses Thema herangewagt. Seit 2023 leiten wir gemeinsam mit der Politikberatung conpolicy die Geschäftsstelle „Corporate Digital Responsibility“ des BMUV (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz).

Eine Zwillingstransformation im beschaulichen Lichtenfels?

Die Herausforderungen, so wie sie in den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen definiert werden, sind global. Die Umsetzung erfolgt jedoch in vielen Fällen lokal, in den einzelnen Ländern der Welt bis hinein, um in Deutschland zu bleiben, in unsere Regionen, Landkreise und Städte. Wir wollen die Innovationsimpulse dort aktivieren, wo sie primär wirken: im Kleinen. Die Lösungen sollen aus der Region für die Region entwickelt werden und damit die Attraktivität in der Region Lichtenfels und darüber hinaus in Oberfranken steigern. Wir haben gegenwärtig in Deutschland zwei Millionen offene Stellen, so viele wie noch nie, und können so einen kleinen Beitrag zur regionalen Fach- und Führungskräftesicherung leisten. Und es geht uns darum, junge Menschen frühzeitig zu motivieren und zu sensibilisieren, unabhängig davon, ob sie an Mittelschulen, Realschulen oder Gymnasien sind, in Firmen ausgebildet werden oder an unserer Universität studieren. Junge Menschen sind die Transformationstreiber der Zukunft – egal, welchen Bildungsweg sie einschlagen. Aus den USA ist die Idee des Service Learning, bei der zivilgesellschaftliches Engagement mit theoretischer Reflexion verbunden werden soll, schon weit verbreitet. Wir müssen pragmatischer werden. 

Die Teilnehmenden aus dem vergangenen Jahr

Wenn ich es richtig verstehe, arbeiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam an einem Thema . Wie haben sich die jungen Leute im vergangenen Jahr bei der Summer School auf das Thema verständigt?

Die Summer School hat sich über insgesamt neun Tage erstreckt. Wir haben über weite Strecken agil gearbeitet. Begrüßung und Auftakttreffen fanden im Großen Sitzungssaal des Landratsamts statt. In der Staatlichen Berufsschule Lichtenfels wurden auf Metaplanwänden verschiedene Ideen vorgestellt, die wir im Vorfeld von Unternehmen abgefragt haben. So konnte gewährleistet werden, dass wir relevante Herausforderungen adressieren. Der Bedarf des regionalen Mittelstands kam beispielsweise aus der Fertigung, der Landwirtschaft, des Gebäudemanagements und der Energie. Weitere Ideen haben wir von Studierenden der Universität Bayreuth im Vorfeld eingesammelt. Hieraus wiederum erwuchsen Projektideen zu vier Gebieten, so zum Energiesparen im Haushalt, zur Mobilität in der Region, der Herstellung von Häusern aus dem 3D-Druck oder der Vernetzung im Landkreis. In der Auseinandersetzung kam man auf die Idee, auch die Landingpage des Landkreises zu optimieren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einigten sich auf die Entwicklung einer App für die Region.

Eine App für die Region – wie kann ich mir das vorstellen?

Die Teilnehmenden haben zunächst analysiert, was schon vorliegt und was verbessert werden kann. Alle hatten regionales Erfahrungswissen und konnten die Lage schnell bewerten. Dann wurden neue Ideen gesammelt, um die Leistung der geplanten App zu steigern. Dazu wurde eine Umfrage zu den Themen Geoportal und Nachbarschaftshilfe erstellt. Die Schülerinnen und Schüler befragten Bürgerinnen und Bürger in der Lichtenfelser Innenstadt.

Das eigene Projekt war der Kern der Summer School – was haben Sie zusätzlich angeboten?

Vermittelt wurden darüber hinaus Theoriebausteine zur Nachhaltigkeit und zur Digitalisierung, grundlegend – aber vor allem mit Blick auf das Projekt. Mit zunehmendem Verlauf der Summer School stiegen die eigenverantwortlichen Projektanteile. Flankierend haben wir Module zum Projektmanagement und ein exklusives Berufscoaching durch Max Hösl, einem ehemaligen P&Eler angeboten. Die Teilnehmenden haben sich also eingehend mit Themen an der Schnittstelle von Digitalisierung und Nachhaltigkeit befasst, selbst recherchiert, Ergebnisse bewertet und ein eigenes Konzept für die Region entwickelt. Die Ergebnisse wurde konsolidiert und verständlich aufbereitet. Wir haben mit den Teilnehmenden die Abschlusspräsentation trainiert, an der Verbesserung der Sprachfähigkeit und der Präsentationstechniken gearbeitet. Am Ende wurden die Projekte im Landratsamt vorgestellt.

Was sind Ihre Erkenntnisse aus der Pilotstudie?

Das Feedback der Teilnehmer und Teilnehmerinnen war sehr gut. Insbesondere wurde die persönliche Betreuung und die hochaktuellen Themen geschätzt. Die Rückmeldungen aus dem Landratsamt waren ebenfalls durchweg positiv. Die Ergebnisse aus dem Piloten haben wir im Nachgang den Schulleitern und Schulleiterinnen aus der Region vorgestellt und konnten unser Konzept durch das Feedback weiter schärfen. Es gab interessante Anregungen z.B. zum Zeitraum der Veranstaltung, zur Gewinnung von Teilnehmer*innen, aber auch neue inhaltliche Impulse haben wir aufgenommen. Darüber hinaus wurden die konsolidierten Ergebnisse vor rund einem Duzend lokalen mittelständischen Unternehmer*innen präsentiert, die mit der Region verwurzelt sind. So konnten wir weitere Anregungen aufnehmen, wie z.B. die Einbindung von Auszubildenden in das Projekt. Wir haben unser Ziel erreicht, Kompetenzen junger Menschen möglichst früh im Umgang mit diesen beiden Top-Themen aufzubauen. Damit die Zwillingstransformation unserer Gesellschaft gelingt, sollte theoretisches Wissen frühzeitig und über alle Bildungsbereiche in eine praktische Umsetzung zur Lösung konkreter Herausforderungen überführt werden. So entsteht ein wertvoller Beitrag für unsere Region. Genau das ist uns mit der ersten Kohorte gelungen. Ich bin heute noch begeistert, wie unser kleines Team aus fünf Teilnehmer*innen, das sich vorher nicht kannte, in kürzester Zeit eine Idee entwickelte, diese dann souverän als Konzept ausarbeitete und schließlich noch aufbereitet und präsentiert hat. Eine steile Lernkurve. Jetzt liegt der Ball beim Landratsamt - dort wurden einige Impulse bereits in die Planungen aufgenommen. 

Wann wird die Summer School nun fortgesetzt und wer kann teilnehmen?

Wir haben in Absprache mit den Schulen und den Unternehmen Termine für zwei weitere Summer Schools ausgearbeitet. Vom 24. August bis 4. September in Lichtenfels und vom 28. August bis zum 8. September 2023 werden die Summer Schools wieder in Lichtenfels stattfinden. Bewerben können sich Schülerinnen und Schüler unter diesem Link https://www.lkr-lif.de/landratsamt/kreisentwicklung/summer-school/10159.Anmeldung-zur-Summer-School-2023.html.

Prof. Dr. Dr. Alexander Brink

Prof. Dr. Dr. Alexander BrinkWirtschafts- und Unternehmensethik Universität Bayreuth

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